Jazz (nicht nur) für Einsteiger

Ich versprach ja, mich ein wenig mit dem Jazz und dem Zugang zu eben jenem zu beschäftigen. Das habe ich gemacht. Ursprünglich sollte dieser Beitrag ja die größten – was auch immer das ist – Jazz-Alben beinhalten, aber ich habe mittlerweile einfach meine Lieblingsalben gelistet. Die wiederum habe ich einfach genommen, weil ich glaube, dass ich über diese Alben am meisten erzählen kann. Ich möchte an dieser Stelle ein wenig erläutern, warum ich gerade dieses Album von diesem Künstler ausgesucht habe, und warum dieses vielleicht gerade für den Einstieg hübsch sein kann.

Miles Davis

Zwei Alben habe ich vom Großmeister des Jazz auserkoren. Miles Ahead und Kind of Blue (natürlich) sind es, die ich mehr als alles andere von ihm liebe. Und es gibt unfassbar viele großartige Alben von Miles Davis. Warum nun also gerade diese zwei? Und warum sollten ausgerechnet diese zwei für Einsteiger geeignet sein? Zum einen, weil Kind of Blue den einen Song enthält, den wirklich jeder kennt. ‚So What‘ heißt er.  Ich denke, gerade am Anfang ist es wichtig, dass die Songs einen Wiedererkennungswert haben. Das macht den Einstieg schon mal ’ne Ecke leichter, hoffe ich zumindest. Ok, ansonsten ist die Kind of Blue vielleicht etwas schwieriger. Miles Ahead auf der anderen Seite, hat einen unfassbar zugänglichen Sound und schicke Melodien. Übrigens hat auf diesem Album ein Herr namens Lee Konitz mitgespielt!

Für Einsteiger geeignet?

Kind of Blue: Zum Teil. Vor allem wegen des bekannten Songs ‚So What‘

Miles Ahead: Ja

Paul Desmond mit und ohne Dave Brubeck

Was soll ich nun zu Paul Desmond sagen? Er ist und bleibt mein Lieblingssaxophonist. Er hat in seinen Soli ganze Lieder geschrieben. Quasi Stücke in den Stücken. Er war in der Lage vom Blues, über Klezmerskalen, bzw. arabesquen Skalen, zum bachschen Kontrapunkt und von da wieder zurückzumodulieren. Und das alles in einem Solo. Damit wären wir auch schon beim ersten Album, welches ich für äußerst empfehlenswert halte, nämlich Jazz Impressions of Eurasia. Und hier besonders den Song ‚Brandenburg Gate‘. Hier zeigen Paul Desmond und Dave Brubeck mal so richtig was sie können. Genau dieser Song ist es, bei dem Paul Desmond genau das macht, was ich gerade angesprochen habe. Das Modulieren vom Blues über Klezmer (arabisch), klassischem Kontrapunkt und wieder zurück. Da möchte Brubeck natürlich nicht zurückstehen und ist ebenso in Höchstform. Auf dem Album Time Out geht es dann, was die Rhythmen angeht, ganz schön zur Sache. Aber keine Sorge, auch hier sorgen Eugene Wright, Joe Morello, Dave Brubeck und Paul Desmond für grandiose Melodien. Außerdem ist auf diesem Album immerhin ein Song wie ‚Take Five‘ drauf, da wären wir wieder bei den vertrauten Melodien die man kennt. Weiter geht’s mit Paul Desmond, diesmal allerdings mit Jim Hall. Auf dem Album Concierto spielen die beiden, zusammen mit Chat Baker eine Jazzversion des wunderbaren klassischen Werkes ‚Concierto de Aranjuez‚ ein. Wirklich wunderschön und wie ich meine sehr gut für Einsteiger geeignet. Bleiben wir ein wenig bei Chat Baker, der hat ein Album namens She Was Too Good to Me geklöppelt, und zwar – ihr ahnt es schon – richtig, mit Paul Desmond. Auch hier eingängiger, nicht allzu fordender Jazz. Ein wirklich schönes Album, im wahrsten Sinne des Wortes. Mit Gerry Mulligan hat der gute Herr Desmond dann auch noch ein Album veröffentlicht, es heißt Two of a Mind. Die beiden konnten richtig gut miteinander, wie man so schön sagt, und das hört man auch. Großartige Kommunikation während der Soli. Man hört richtig, wie die beiden sich miteinander, mithilfe ihrer beiden Saxophone unterhalten. Wunderbar. Sicher, ein bisschen mehr zur Sache geht es hier schon manchmal, aber keine Sorge, auch hier steht die Melodie immer noch im Vordergrund.  Zu guter letzt geht’s noch einmal zurück zum Dave Brubeck Quartet. Es gab ein legendäres Konzert in der Carnegie Hall, und das Doppelalbum dieses Konzerts darf hier einfach nicht fehlen. At Carnegie Hall. Ein hübscher Querschnitt der klassischen Besetzung dieses Quartetts.

Für Einsteiger geeignet?

Jazz Impressions of Eurasia: Aber so was von

Time Out: Ja

Concierto: Ja

She Was Too Good to Me: Aber so was von

Two of a Mind: Zum Teil. Vor allem wegen Paul Desmond

At Carnegie Hall: Ja

Julian Adderley

Somethin‘ Else heißt das Album, was ich von Julian Adderley hier empfehlen möchte. Ein Vorausschauen auf Kind of Blue, wenn man so will. Und Miles Davis spielt auch mit auf diesem Album. Trotzdem ist es ein Julian-Adderley-Album: Dieser warme Sound, den er aus seinem Altsaxophon holte, war schon beeindruckend. Das ganze hat etwas schwebendes, etwas, was man am Anfang nur ahnt. Ein bisschen wie Debussy es in seinen Werken auch hat. Phantastisch. Übrigens der Song in dem verlinkten Video ist natürlich sein bekanntestes Stück, das ist aber nicht auf dem Album drauf. Zu dem Album mit diesem Song kommen wir an einer anderen Stelle. Ach so, natürlich spielt Julian Adderley zusammen mit John Coltrane auf dem Kind of Blue Album mit, ist doch klar.

Für Einsteiger geeignet?

Somethin‘ Else: Zum Teil. Vor allem wegen des ersten Songs.

Lee Konitz

Jetzt wird es tatsächlich schon um einiges schwieriger. Motion heißt das Album, und jetzt geht es schon richtig zur Sache. Vielleicht müssen hier einige erstmal dieses Album überspringen. Menschen sind da sehr unterschiedlich und was für den einen schon zu viel ist, ist für die andere noch lange kein Grund, dieses Album von Lee Konitz nicht zu hören. Herr Konitz gehört zu meinen absoluten Lieblingsmusikern, weil er einen Ton hat, der nie aufdringlich wird. Der kann mir den wildesten Freejazz um die Ohren hauen, das ermüdet mich nie. Und genau dieser Ton ist es, der auch in diesem Fall für dieses Album spricht. Versucht es! Wenn es nicht geht, dann eben erst später. Man sollte sich am Anfang nicht überfordern. Alles was keinen Spaß macht, sollte man tunlichst auch nicht machen, vor allem wenn es um Dinge wie Musik geht. Seid also mutig, hört rein und wenn es (noch) nicht geht, tja dann eben erstmal nicht.

Für Einsteiger geeignet?

Motion: Bedingt. Muss man probieren

Joe Henderson

Nun kommen wir zum dritten im Bunde, auf den ich meine musikalische Saxophonkirche baue, wenn man so will. Er ist dafür verantwortlich, dass ich das Tenorsaxophon doch noch lieben gelernt habe. Ein grandioser Künstler, ein Intellektueller. Er hat auch schon mal das ein oder andere Freejazz Album gemacht, in diesem Fall geht es aber um Lush Life: The Music of Billy Strayhorn, eines welches eher ruhig daherkommt, und er zeigt was für einen unfassbar tollen Ton er hat, wie elegant er spielt. Ein wenig wie Paul Desmond in moderner, wenn man so mag. Wo wir gerade bei bekannten Melodien sind. Das letzte Album was der gute Joe Henderson zu Lebzeiten aufgenommen hat, war seine Interpretation von der Musik von ‚Porgy and Bess‚ von George Gershwin. Ja, und da gäbe es schon Melodien, sie treten halt nur bisweilen in den Hintergrund, also vor allem beim Solieren. Ansonsten ist auch hier eigentlich alles gut. Sehr gut sogar. Sogar Chaka Khan und Sting sind auf diesem Album zu hören. Die kennt man sogar außerhalb des Jazzkontexts. Tolles Album. Wie gesagt, an einigen Stellen nicht immer ganz einfach.

Eines hab ich noch: Nämlich The Standard Joe. Was Joe Henderson hier so spielt, ja nun. Es gäbe da schon Melodien, man muss sie halt nur ein wenig suchen… Immerhin spielt er Standards, wie der Name des Albums ahnen lässt. Zumindest werden die meisten von euch also am Anfang des Stückes erkennen, um was für eines es sich handelt. Auch hier gilt: Traut euch. Und wenn es nicht geht, dann lasst es erstmal ruhig und kommt später wieder. Ich liebe den Sound des Herrn Henderson, die Intellektualität mit der er an all seine Werke herangegangen ist. Das Entscheidende aber ist: Er schafft, was was sonst nur Paul Desmond schafft. Ich bekomme bisweilen Gänsehaut, wenn er spielt.

Für Einsteiger geeignet?

Lush Life: The Music of Billy Strayhorn: Zum Teil. Vor allem wegen der bekannten Melodien

Porgy and Bess: Ja

The Standard Joe: Bedingt. Muss man probieren

The Modern Jazz Quartet

Eine Band, die ich schon als Kind gehört habe. Ein einmaliger Sound. Die Band bestand aus Milt Jackson (Vibraphon), John Lewis (Piano), Percy Heath (Bass) und Connie Kay (Schlagzeug). Kein Saxophon? Keine Trompete? Keine Gitarre? Piano und Vibraphon? Eine sehr seltene Kombination. Egal. Sie prägten mein Bild von dieser Musik in den 70ern, also in der Zeit in der ich ein Kind war. Natürlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, was Jazz ist. Ich erkannte aber die Band wieder, ohne zu wissen wie sie heißen oder was sie da machen. Diese Gruppe mit dem schönen Ding und Dong halt. Meist recht leise kommen sie daher. Melodien konnten sie. Sie waren mein Einstieg in die Welt des Jazz, ohne dass ich das zu diesem Zeitpunkt auch nur im entferntesten ahnen konnte. Wenn das nichts für den Einstieg in die Welt des Jazz ist, dachte ich mir, und gebe deswegen eine dicke Empfehlung für diese wunderbare Band ab. Es handelt sich hier um das Album ‚The Complete Last Concert‚. Es sind Aufnahmen aus den Jahren 1975 und 1981. Ein wirklich toller Einsteig in die Welt des Jazz, zumindest nach meinem Dafürhalten. Deswegen ist sie auch in der Liste zu finden. Sie gehören definitiv auch in die Liste meiner Lieblingsaufnahmen.

Für Einsteiger geeignet?

The Complete Last Concert: Aber so was von.

Zum Schluss

Das waren sie, die Empfehlungen. Mal einfacher zugänglich, mal schon ein bisschen schwerer. Aber Menschen funktionieren unterschiedlich. Warum also auch nicht etwas weniger einfaches mit in die Liste der Empfehlungen nehmen, außerdem sind sie ja in der Liste meiner bevorzugten Jazz-Alben, insofern hatte ich also auch gar kein andere Wahl! 😉
Es werden weitere Empfehlungen folgen. Gerade im Bereich des Big Band Jazz gibt es hervorragende Werke, die sich vorzüglich eignen, um in die Welt des Jazz einzutauchen, aber dazu beim nächsten mal mehr.

P.S.: Ja, ich liebe das Saxophon. Diese Reihe wird sich aber im Laufe der Zeit auch anderer Instrumente annehmen, damit auch die nicht zu kurz kommen.

2 Replies to “Jazz (nicht nur) für Einsteiger”

  1. Hallo, Herr Martinsen, vielen Dank für diese Übersicht, aber (hüstel) „Jazz is not dead, it just smells funny!“ (Frank Zappa) muss ich hier leider mal ergänzen. Jazz ist ja – zum Glück sehr viel bunter und aufregender als diese – hier sicher sehr exquisite – Übersicht von der die meisten (alle?) Akteure schon das Zeitliche gesegnet haben.

    Es gibt ja auch heute (von den 1970ern bis 2015) ganz viele tolle Platten zu entdecken:
    Herbie Hancock
    George Benson
    Charlie Haden (gest.)
    Bill Evans (piano)
    Grover Washington jr
    Eberhard Weber
    Jan Garbarek
    Pat Metheny
    Bill Frisell
    Esbjön Svenson (gestorben)
    Nils Landgren
    Nils Wülker
    Nils Frahm (Ist das noch Jazz?)
    Michael Wollny
    Ketil Björnstadt

    Ach, ach, ich könnte noch länger, aber darum geht es ja gar nicht. Es geht um die Vielfalt und Grenzlosigkeit im Jazz, die ihn so spannend macht.
    Gerade auch die Nachwuchsförderung von Labels wie dem ACT-Label ist sehr beachten, da passiert einiges spannendes.
    „So, what?!“ – Aber vielleicht gibt es hier bald noch mal eine zweite Liste, die etwas weiter reicht bzw. das Spektrum weitet. Ich könnte mir das sehr gut vorstellen… 😉

    1. Hallo, Joachim.

      Danke für Dein tolles Feedback. Dieser Artikel soll nur der Anfang sein. Es sollen noch mehr folgen. Es ist nur der Auftakt einer Reihe von Artikeln. Und viele der Namen, die Du erwähntest kommen auch noch. Es ging in diesem Artikel erstmal um meine Lieblinge. Ich kann Dir also versprechen, dass da noch ein paar Artiklel kommen werden.

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