Autor: Thorsten Martinsen

  • Jazz (nicht nur) für Einsteiger – Bebop

    Diesmal soll es um den Bebop gehen. Wenn man Menschen fragt, wie sie Jazz definieren würden, oder was für eine Art von Musik Jazz denn nun so wäre, dann kommt meistens Bebop dabei raus, ohne dass die Leute diesen Begriff dafür verwenden würden. Soll heißen: Was hier Bebop genannt wird, ist für die meisten Menschen schlicht Jazz. Quasi, Jazz™.

    Aber mal von vorne. Ende der 30er Jahre des 20ten Jahrhunderts war der Swing – also das, was die Big Bands so von sich gaben – quasi Pop. Zu diesem Zeitpunkt war der Jazz also in den Charts. Das sollte sich in Kürze gehörig ändern: Zum einen versiegte die Kreativität der Big Bands mit der Zeit, und man übte sich lediglich in Wiederholungen, zum anderen gab es mit Kriegseintritt der USA im Jahre 1941 eine Steuererhöhung auf Tanzveranstaltungen, die die Wirtschaftlichkeit der Big Bands allmählich untergrub. Man konzentrierte sich nunmehr also auf kleinere Zusammensetzungen von Musikern in kleineren Clubs.  Diese kleinen Combos galten nicht als Tanz- oder Unterhaltungskapellen, weswegen die Besitzer der Clubs nicht mit diesen Steuern belegt wurden. Letztlich waren es einige Musiker aber auch schlicht leid, diese – aus ihrer Sicht seichte – Musik zu spielen und damit ein Massenpublikum zu unterhalten. Ein Phänomen, das man in der Musik zum Glück immer wieder beobachten kann, denn sonst gäbe es dort kaum Fortentwicklung.

    Der Bebop ist Komplexer, nicht so zugänglich und bisweilen muss man die Melodie auch schon mal ein wenig länger suchen. Es gibt aber auch hier wirklich hübsche Musik, die nur darauf wartet, von euch entdeckt zu werden.

    Charlie Parker

    Wenn irgendwer über Bebop spricht, muss zuerst der Name Charlie Parker alias ‚Bird‘ fallen. Er ist nicht nur einer der ganz Großen des Jazz, er ist einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass es diese Richtung des Jazz überhaupt gibt. Er ist sicherlich der wichtigste Altsaxophonist, den es je gab. Und einer der wichtigsten Einflüsse der Musikgeschichte. Als wenn das alles nicht schon genug wäre: In seiner Band spielten Menschen wie Dizzy Gillespie und Miles Davis. Namen, die man vielleicht schon einmal gehört hat, selbst wenn man so gar nichts mit Jazz am Hut hat. Leider war er seit seiner frühesten Jugend drogenabhängig, was zum einen zu seinem frühen Tod führte und zum anderen eben auch unfassbar großen Einfluss auf die nachfolgenden Generationen von Musikern hatte, besonders natürlich auf die Saxophonisten. Viele taten es ihm gleich – und viele starben ebenso zu früh.

    Empfohlenes Album: The Quintet – Jazz at Massey Hall (Zusammen mit  Dizzy Gillespie (Trompete), Bud Powell (Piano), Charles Mingus (Bass) und Max Roach (Schlagzeug)

    Für Einsteiger geeignet?

    Na ja, es ist halt Bebop. Wer mit Big Band klar kommt, sollte sich hier nicht scheuen.

    Charlie Christian

    Noch so ein Pionier in Sachen Jazz. Erwar einer der größten Gitarristen des Jazz und gehört zu den ersten, die auf der elektrisch verstärkten Gitarre spielten. Ganz besonders die Phrasierung und Melodieführung der Blasinstrumente interessierte ihn und er versuchte, das auf der Gitarre umzusetzen. Man darf sagen, dass ihm diese Umsetzung hervorragend gelungen ist. Übrigens setzte auch B.B. King das in seinem Spiel immer wieder erfolgreich um, das machte sein Spiel so einzigartig. Charlie Christian war unter anderem in Ensembles von Benny Goodman unterwegs. Na ja, und wie das manchmal so ist, nebenbei war er außerdem einer der Wegbereiter der Jazz-Stilrichtung Bebop.

    Empfohlenes Album: Swing To Bop

    Für Einsteiger geeignet?

    Ja

    Dizzy Gillespie

    Dizzy Gillespiewar ebenfalls einer der ganz großen. Diesmal aber nicht Saxophon oder Gitarre, sondern Trompete. Und da sticht er nicht nur wegen seines außergewöhnlich großartigen Spiels hervor, sondern auch weil er eine besonders markante Trompete spielte. Man erkannte ihn also quasi schon, bevor er anfing zu spielen. Der Trichter der Trompete ging nämlich nicht gerade nach vorn, sondern ragte ca. 45° nach oben. Und dann waren da noch seine Wangen, welche sich sehr markant wölbten, wenn sein Mundraum sich mit Luft füllte, wenn er anfing zu spielen. Er war also nicht nur ein akustisches Erlebnis. Außerdem war er KomponistSängerArrangeur und Bandleader. Selbstverständlich gehört auch er zu den Wegbereitern des Bebop.

    Empfohlenes Album: The Complete RCA Victor Recordings

    Für Einsteiger geeignet?

    Ja

    Howard McGhee

    Wir bleiben bei der Trompete. Nun geht es um Howard McGhee. Louis Armstrong war sein großes Vorbild. Entdeckt hat ihn Lionel Hampton. Und später begegnete er dann auch Dizzy Gillespie, der ihn sehr beeinflusste und dessen Schüler er bald wurde. Er wandte sich dem Bebop zu, war aber weiterhin auch vom Swing beeinflusst. In den 40er Jahren des 20ten Jahrhunderts spielte er bei Charlie Parker als Nachfolger von Miles Davis.

    McGhee ist im Juli 1987 – genau 20 Jahre nach John Coltrane – gestorben, welches gleichzeitig der 28. Todestag von Billie Holiday war. Der Mythenbildung stand und steht also nichts im Wege. Viele sagen, McGhee wäre das Bindeglied zwischen Swing und Bebop gewesen.

    Empfohlenes Album: On Dial – The Complete Sessions 1945–1947 

    Für Einsteiger geeignet?

    Ja

    Thelonious Monk

    Kommen wir nun zu einem Pianisten des Jazz und zu einem seiner größten Vertreter: Thelonious Sphere Monk. Er war Pianist und Komponist. Auch er gilt als einer der Mitbegründer des Bebop. Mit seinem Klavierstil und seinen grandiosen Kompositionen gilt er als einer der großen Pianisten und bedeutenden Innovatoren des Jazz, und eben auch als einer der ganz Wichtigen, wenn es um den Bebop geht. Dabei war er gar nicht „einer von ihnen“, wenn man so will. Er entwickelte eine sehr eigenständige musikalische Ästhetik, die zwar auf den Bebop einwirkt, aber musikalisch von diesem unabhängig ist. Er war quasi ein musikalischer Eigenbrödler. Sehr sympathisch, wie ich finde. Auf die Frage, wer ihn musikalisch am meisten beeinflusst habe, antwortete er schlicht: „Na, ich selbst natürlich.“

    Empfohlenes Album: Genius Of Modern Music, Volume 1 & 2 

    Für Einsteiger geeignet?

    Nun ja. Bedingt, würde ich sagen. Einfach ausprobieren.

    Fats Navarro

    Wir sind wieder bei den Trompetern, diesmal bei Fats Navarro. Er spielte ab seinem sechsten Lebensjahr zunächst Klavier , begann aber im Alter von 13 Jahren, Trompete und Tenorsaxophon zu spielen. Navarro genoss beim Jazz-Publikum, Kritikern und Kollegen ein hohes Ansehen. Trotz des Erfolgs und des großen Ansehens gründete Navarro als einer der ganz wenigen keine eigene Band. Das ist auch der Grund dafür, dass die Anzahl der unter eigenem Namen veröffentlichten Alben mehr als überschaubar geblieben ist. Er starb mit nur 26 Jahren an den Folgen von Heroinabhängigkeit, Alkoholismus und einer Tuberkulose.

    Empfohlenes Album: The Complete Fats Navarro on Blue Note & Capitol 

    Für Einsteiger geeignet? 

    Ja

    Bud Powell

    Auch er war – genau wie Thelonious Monk – ein Pianist. Seine Art Klavier zu spielen brach mit der bisherigen Tradition des Jazzpianos. Seine fast schon akrobatisch anmutetenden Läufe und die brillant aggressive Rhythmik kamen der meisterlichen Beherrschung eines Charlie Parkers so nahe, wie dies auf einem Klavier eben möglich war. Er lieferte sich mit Parker regelrechte Wettkämpfe. Sein Spiel war entsprechend virtuos und hatte etwas fiebriges. Tja, und wie das nunmal so ist, wenn der eine besser sein will als der andere: Powell und Parker fanden einander unsympathisch und es gibt kaum gemeinsame Aufnahmen.

    Empfohlenes Album: The Amazing Bud Powell

    Für Einsteiger geeignet? 

    Bedingt. Bestimmt nicht der leichteste Einstieg in die Welt des Bebops.

    Horace Silver

    Wir bleiben beim Klavier und kommen zu Horace Silver. Er begann als Tenorsaxophonist, wechselte aber dann zum Klavier. 1952 und 1953 nahm er mit eigenem Trio auf, zu dem auch ein gewisser Art Blakey gehörte, mit dem er gemeinsam die Jazz Messengers gründete. Eine Formation und ein Mensch über den es noch zu reden gilt, wenn es um Hard Bop gehen wird. Er hat den Bebop erweitert, indem er 12-taktige Blues- und 8-taktige Songformen miteinander kombinierte und so Themen mit ungerader Taktzahl schrieb. Da war er zwar nicht der erste, aber seine Wirkung ist sogar in der Rockmusik bemerkbar, z. B. im Progressive Rock.

    Empfohlenes Album:Six Pieces of Silver

    Für Einsteiger geeignet?

    Ja

    Zum Schluss

    Das waren hoffentlich ein paar Anregungen, die dem einen oder anderen von euch gefallen und die die eine oder andere mag. Alle hier erwähnten Aufnahmen gibt es auch als Apple Music Liste, sie heißt Bebop™. Ich hoffe, euch hat das Lesen ein wenig spaß gemacht. Vielleicht sind eure Favoriten ja auch ganz andere. Welche Bebop-Intepreten hört ihr denn gern? Ich danke herzlich für das Lesen dieses Artikels.

  • Jazz (nicht nur) für Einsteiger – Big Band

    Nun also der zweite Teil der Reihe ‚Jazz (nicht nur) für Einsteiger‘. Diesmal geht es um die große Besetzung, die Big Band. Das Symphonieorchester des Jazz, sozusagen. Deshalb verwundert es auch nicht, dass Big Bands früher oft schlicht „Jazz Orchestra“ genannt wurden. Sie prägten den Swing und machten ihn zu dem was er war und ist. So ist die Big Band seit den 20er Jahren des 20. Jahrunderts ein wichtiger Teil des Jazz.

    Der Begriff Big Band ist für sich genommen aber unabhängig von der Musikrichtung. Man meint damit eine größere Ansammlung von Jazz Musikern, in denen Bläser mehrfach besetzt sind. Natürlich bestehen Big Bands nicht allein aus Bläsern, aber eine solche Besetzung an Bläsern ist die Voraussetzung, wenn man sich Big Band nennen will. Die Besetzung sieht dann oft wie folgt aus:

    Im Zweifel variiert es hier und da ein wenig. Es können auch andere, hier nicht erwähnte Intrumente hinzukommen. Das von mir genannte Beispiel, soll lediglich als grobe Otientierung herhalten. Denn eine feste Regel, wie denn nun eine Big Band auszusehen habe, gibt es nicht.

    Benny Goodman

    Ok, Big Band also. Wenn man über Big Bands schreibt, dann kommt man an einem Mann nicht vorbei, und der heißt Benny Goodman. Und so soll er den denn auch den Reigen der meiner Meinung nach empfehlenswerten Aufnahmen eröffnen. B.G. in Hi-Fi heißt sie. Es handelt sich um eine Aufnahme aus dem Jahr 1954. Das einzige Problem an dieser Aufnahme ist, dass es sich bei Acht von diesen 20 Stücken um gar keine Big-Band-Aufnahmen handelt. Da muss man halt gnädig drüber wegsehen, es bleiben ja noch die anderen zwölf.
    Es ist eine typische Benny Goodman-Aufnahme: Eingängig, und dieser unschlagbar eigene Ton auf der Klarinette. Und natürlich die ein oder andere sehr bekannte Melodie. Erkennt man sofort, man muss auch nicht mehr viel dazu sagen, außer eines vielleicht: Er war mehr als einfach nur ein Jazz-Klarinettist. Ich lasse Benny Goodman einfach mal selbst zu Wort kommen und wünsche einfach viel Spaß beim Hören von B.G. in Hi-Fi.
    Zitat aus der englischen Wikipedia: According to Jazz by Ken Burns, when someone asked him why he „played with that nigger“ (referring to Teddy Wilson), Goodman replied, „I’ll knock you out if you use that word around me again“.

    Für Einsteiger geeignet?

    B.G. in Hi-Fi:  Aber so was von.

    Duke Ellington

    An diesem Herren kommt man eigentlich noch weniger vorbei als an dem erstgenannten. Duke Ellington ist sicher einer der Namen, die einem zuerst einfallen, wenn es um das Thema Big Band geht. Über 2000 Kompositionen werden ihm zugeschrieben, von denen wiederum an die Hundert zu Jazzstandards wurden. John Coltrane und Charles Mingus begannen bei Duke Ellington ihre Karrieren.  Er fand immer wieder neue Formen der Musik, denen er sich zuwand. Und selbst klassischer Musik war er nicht nur zugetan, es gibt sogar eine Big-Band-Fassung der Peer-Gynt-Suite von ihm.
    Hier aber soll es um The Far East Suite, …And His Mother Called Him Bill und The Great Paris Concert gehen. Drei Alben, die das, was Duke Ellington gemacht hat, recht gut wiedergeben. Für The Far East Suite bekam Ellignton 1968 einen Grammy, außerdem ist mit ‚Isfahan‘ auch wieder eine bekannte Melodie mit an Bord. Ebenfalls aus dem Jahr 1968 ist …And His Mother Called Him Bill. Es ist ein Tribut an den kurz zuvor verstorbenen Billy Strayhorn, mit dem Duke Ellington bis zum Tod von eben jenem zusammenarbeitete. Viele Kompositionen, die Duke Ellington zugeschrieben werden, sind eigentlich von Billy StrayhornTake the ‚A‘ Train ist so ein Beispiel. Zu guter Letzt dann noch  The Great Paris Concert. Zwar wurde das Album 1973 veröffentlicht, die Aufnahmen sind aber aus dem Jahr 1963. Hier kann man Duke Ellington also auch noch mal Live erleben.
    Der Herr Ellington hat aber auch was für die mutigen Einsteiger in petto. Das Album Liberian Suite heißt nicht nur so, es beinhaltet auch eben jene.  Da braucht die ein oder andere, vielleicht mehrere Anläufe. Ein junger Mann namens Shorty Baker, spielt hier mit. Aber zu dem an anderer Stelle mehr. Ach ja, und Johnny Hodges, aber über den auch an anderer Stelle mehr. Alles in allem sehe ich keinen Grund, weswegen Einsteiger in die Welt der Big Bands hier Probleme bekommen sollten – außer bei der Liberian Suite vielleicht.

    Für Einsteiger geeignet?

    The Far East Suite: Ja

    …And His Mother Called Him Bill: Ja

    The Great Paris Concert: Ja

    Liberian Suite: Nicht ganz so uneingeschränkt wie die anderen Sachen.

    Johnny Hodges

    So, dann kommen wir mal zum Alto Saxophonisten des Herrn Ellington, den Herrn Johnny Hodges. Den ich zum einen noch gar nicht so lange kenne – zumindest nicht außerhalb des Ellington Kontextes -, der sich aber in kürzester Zeit in mein Herz gespielt hat. Auch er hat ein hübsches Album geklöppelt, es heißt Everybody Knows Johnny Hodges. Nun ja, diese Aussage traf zumindest auf mich nicht ganz zu. Ich kannte den Herrn tatsächlich nur als Duke Ellingtons Alto Saxophonist. Asche auf mein Haupt. Umso glücklicher bin ich, dass ich seine Musik und sein Spiel mittlerweile auch unabhängig vom Duke kennenlernen durfte. Everybody Knows Johnny Hodges ist ein schönes Beispiel für seine Musik.  Über Billy Strayhorn hatte ich ja bereits bei Duke Ellington geschrieben. Nun, eben dieser hat nun auch für Johnny Hodges allein arrangiert. Man kannte sich ja noch vom Duke. Rausgekommen ist dabei Johnny Hodges with Billy Strayhorn and the Orchestra. Ein wunderbares Album, was zum Träumen einlädt. Schön, wäre hier das Wort der Wahl. Einen Saxophonisten, den man mal wieder im Halbschlaf erkennt, so eigen ist sein Stil. Auch ist es ein sehr weicher zurückhaltender Sound. Einfach wunderschön.

    Für Einsteiger geeignet?

    Everybody Knows Johnny Hodges: Aber ja.

    Johnny Hodges with Billy Strayhorn and the Orchestra: Aber so was von.

    Count Basie

    Jetzt muss ich schon wieder Eulen nach Athen tragen. Etwas über Big Bands zu schreiben und den Namen Count Basie nicht zu erwähnen, funktioniert natürlich nicht. In seiner Big Band spielten so famose Musiker wie  Lester Young (Ich sage nur Billy Holiday), Herschel EvansFreddie GreenBuck Clayton und Harry „Sweets“ Edison. Hier soll es nun um April in Paris gehen, ein Album aus dem Jahre 1957. Immer wieder grandios, wie es Count Basie schafft, diesen einmaligen dichten Sound zu kreiren. Big Band ist eben nicht gleich Big Band, und die ganz großen – und zu denen gehört Count Basie ganz ohne zweifel – schaffen es halt, dass man es den Aufnahmen anhört, wer da gerade Bandleader war.

    Für Einsteiger geeignet?

    April in Paris: Aber so was von

    Shorty Rogers

    Kennt man vielleicht nicht unbedingt. Oder vielleicht doch, nämlich vom Duke. Weiter oben wurde er bereits erwähnt. Ich nenne mal ein paar Namen von Menschen, die in seiner Band gespielt haben:  Jimmy GiuffreJohn GraasHampton Hawes,  Art PepperBud Shank und Zoot Sims. Um mal nur ein paar aufzuzählen. Bei diesem Album handelt es sich um eine Hommage an Count Basie, so schließen sich immer mal wieder Kreise. Und hier haben wir nicht nur einen, der Trompete, respektive Kornett, spielen konnte – Shorty Rogers konnte auch arrangieren. Ein nicht unwesentlicher Vorteil, wenn es um Big Bands geht. Courts the Count heißt das Album. Er hat also Klassiker von Count Basie interpretiert und ein paar eigene Sachen für dieses Album komponiert, die aber auch im Stile Basies gehalten sind. Auch hier ist alles im grünen Bereich, was die Einsteigerei angeht.

    Für Einsteiger geeignet?

    Courts the Count: Ja

    Stan Kenton

    Stan Kenton ist wohl einer der außergewöhnlichsten Persönlichkeiten des Jazz. So richtig reinpassen mag er nirgens. Viele Freunde hat er sich auch nicht gemacht. So richtig sympathisch mag er einem nicht sein… und das sind noch sehr wohlfeil gewählte Worte. Wenn ich das, was ich als Person von ihm halte, hier schreiben würde, müsste ich meine gute Erziehung vergessen, das möchte ich mir und euch ersparen. Deswegen wenden wir uns mal dem Musikalischen zu. Da war er seiner Zeit nämlich so weit voraus, dass sein Werk nur sehr wenige Menschen verstanden haben. Gespielt haben bei ihm aber trotzdem sehr viele bekannte Musiker: Art Pepper,  Stan Getz,  Lee Konitz (der schon wieder), und Zoot Sims, sind wohl die bekanntesten. Ja, was ist das denn nun, was er da gemacht hat? Tja. Symphonischer Jazz, könnte man sagen. Neue Musik + Jazz. Er wird gern als einer der Wegbereiter des sogenannten Third stream angesehen.
    Um zwei Alben soll es hier gehen. City of Glass, aus dem Jahr 1951 und New Concepts of Artistry in Rhythm, aus dem Jahr 1953. Ja also, sagen wir mal so: Ich weiß nicht. Diese Serie heißt ja ‚Jazz (nicht nur) für Einsteiger‘. Ich berufe mich jetzt mal flugs auf das in Klammern stehende ’nicht nur‘. Also Einsteigern würde ich zumindest mal City of Glass nicht unbedingt als erstes um die Ohren hauen wollen, aber auch hier gilt: Menschen sind unterschiedlich, und vielleicht ist es ja gerade diese Art von Big-Band-Musik, die euch gefällt. Warum nicht? Nun eines kann man der Musik von Stan Kenton sicher nicht vorwerfen, dass sie keine Power hätte. Das hat sie wahrlich.

    Für Einsteiger geeignet?

    City of Glass: Ganz ehrlich? Nee. Aber wer weiß. Probiert es halt aus.

    New Concepts of Artistry in Rhythm: Jein. Viel eher als das oben genannte. Ansonsten: Siehe oben.

    Benny Carter

    Na also, erstmal durchatmen. Jetzt kommen wir zum einem Multitalent. Alto Saxophon, Trompete, Klarinette, Komponist, Arrangeur und Bandleader. Das alles war dieser Mensch. Kann sich sehen lassen. Hören lassen kann sich Further Definitions, sein Album. Im Jahre 1961 veröffentlicht, und immer noch eines der besten. Neben Benny Carter, gaben sich u.a. Phil Woods und Coleman Hawkins auf diesem Albumk die Ehre. Hier ist nun wieder alles hübsch, ich muss mich auf keine Klammern in der Überschrift berufen. Ein wunderbares Album eines großartigen Musikers, der, wenn er das Saxophon gespielt hat, sein Alto manchmal wie Tenor klingen lassen konnte.

    Für Einsteiger geeignet?

    Further Definitions: Aber so was von

    Miles Davis

    Miles Ahead war schon beim letzen Mal dabei, und auch dieses mal mag ich es nicht weglassen. Und ganz ohne Miles Davis geht’s halt nicht. Wo kämen wir denn da hin. Gil Evans hat das Ganze arrangiert und dirigiert. Ach ja, und ein gewisser Herr Lee Konitz hat hier Alto Saxophon gespielt. Dem sollte man auch noch mal ganz schnell unglaublich viele Preise verleihen. Zumindest, wenn es nach mir geht! Wie auch immer. Tolles Album. Es schließt diesen Artikel ab.

    Für Einsteiger geeignet?

    Miles Ahead: Ja

    Zum Schluss

    Zu guter letzt noch ein paar abschließende Sätze: Wie immer ist das, was ich hier so von mir gebe, alles komplett subjektiv und erhebt auf gar keinen Fall Anspruch auf irgendeine Art von Vollständigkeit. Auch habe ich mir die Frechheit rausgenommen, das was ich als Big Band verorte, ziemlich weit zu intepretieren. Nicht alle werden mit allem einverstanden sein, aber auch das ist okay. Es wird wieder das ein oder andere fehlen, anderes hingegen passt wahrscheinlich, nach Meinung einiger, hier mal so gar nicht rein. Tja, so ist das nun mal mit uns Menschen. Ich sage es ja immer wieder gerne, weil es einfach stimmt: Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall! Vielleicht wollt ihr mir ja in den Kommentaren von euren Jazz-Vögeln erzählen.
    Hoffentlich konnte ich dem ein oder anderen helfen, sich mal an diese Big Band Geschichte ranzutrauen. Ich danke recht euch herzlich für’s Lesen dieses Artikels.

  • Warum wir keine Podcasts machen, sondern Radiosendungen.

    Ich bezeichne mich selber gerne als Moderator, als jemand der gern in’s Mikrophon spricht. Ich mache das von Zuhause aus. Ich sitze also nicht in einem Studio. Ich mache das, was man landläufig Podcasts nennt, und die meisten würden mich Podcaster nennen. Ich hingegen bezeichne das was ich mit meiner wunderbaren Kollegin Frau Kariert mache als Radio. Warum? Wir haben das Mindestmaß an Audioqualität, die es braucht, um Sendungen als Radio bezeichnen zu können. Wir haben die Vorbereitung, das Konzept, man könnte es auch Format nennen, damit es als Radio durchgeht. Wir senden, zumindest die Feuilletöne, immer zum gleichen angekündigten Zeitpunkt. Nun ist das nicht unbedingt ein Alleinstellungsmerkmal, was wir da für uns in Anspruch nehmen. Es gibt viele tolle Dinge, die im Internet verbreitet werden. Viele Audiosachen, die im Internet zu hören sind, sind ganz großartig gemacht. Das ist es also nicht. Was ist es also dann? Warum besitze ich Unverfrorenheit, das was wir machen als Radio zu bezeichnen? Ich habe dafür eine ganz einfache Erklärung. Die ist natürlich nicht allgemeingültig, sondern lediglich die Definition, die ich wähle, für das was wir als Audio unter die Menschen bringen. Sie geht so: Podcast ist kein Format. Podcast ist eine Verbreitungsform, die wir nutzen um unsere Radiosendungen zu veröffentlichen und zu verteilen. Wir sind bei iTunes und dort als Podcast gelistet. Das sind viele andere Radiosendungen auch, u.a. auch viele der öffentlich-rechtlichen Sender. Wir nutzen also lediglich die Verbreitungsform Podcast, um unsere Hörer und Hörerinnen mit unseren Audioproduktionen zu beglücken. Das ist meiner Meinung nach alles. Ob es sich dabei um eine lockere Gesprächsrunde handelt, bei der sich drölfzig Menschen zusammenfinden um miteinader mehr oder weniger unverbindlich zu quatschen – gibt es im „echten“ Radio im Übrigen auch – oder ob es sich dabei um ein eher strenges, gescriptetes Format handelt, spielt meiner Meinung nach keine Rolle.

    Was im Moment auch wieder diskutiert wird ist, dass es viel zu kompliziert sei, zu senden. Die Plugins seien zu kompliziert, das Senden sei zu kompliziert, die Technik sei zu kompliziert – alles zu kompliziert. Und genau das finde ich nicht. Ja, es ist am Anfang nicht einfach, da durchzublicken. Mir wäre es am Anfang sicher auch lieber gewesen, wenn ich einfach nur auf einen Knopf hätte drücken müssen und der Rest hätte dann von ganz alleine funktioniert. So war es nicht, so ist es nicht und das macht meiner Meinung nach auch nichts. Wenn ich anfange ein Instrument spielen zu lernen, dann werde ich am Anfang auch Schwierigkeiten haben es zu beherrschen. Im Laufe der Zeit wird mir das immer besser gelingen. Ja, es ist am Anfang schwer das alles zu begreifen, was zum Großteil daran liegt, dass man die Begriffe einfach nicht kennt. Auch das wird sich naturgemäß im Laufe der Zeit ändern. Es liegt zum großen Teil nicht daran, dass alles so kompliziert ist, sondern daran, dass wir es nicht kennen. Das ist auch meiner Meinung nach überhaupt nicht das Problem. Das gilt für das Erlernen von Musikinstrumenten genau so wie für vieles andere. Egal was man macht, man muss sich entprechend mit der Materie beschäftigen. Und das macht man ja auch gerne, denn man sieht/hört irgendwann das Ergebnis und ist froh. Das ist bei den meisten Dingen so die man lernen mag, so auch beim Senden, Produzieren und Veröffentlichen von Sendungen im Internet. Viel wichtiger als die Hürde für die Produzenten ist die Hürde für die Hörer. Die ist nämlich immer noch entschieden zu hoch. Und daran sind wir, die wir im Internet akustische Dinge produzieren, mit schuld. Allein der Begriff Podcast, den kennt kein Mensch. Warum also die Menschen mit Begriffen behelligen, die sie nicht kennen? Warum die Sachen nicht einfach Radio oder Sendung nennen? Die Zeit, die viele verplempern, um den Begriff Podcast zu erklären, könnten sie besser nutzen, z. B. indem sie Sendungen produzieren… Nennt es Radio, nennt es zeitsouveräne Radiosendung, nennt es Internetradio, nennt es Sendung zum runterladen oder wie auch immer. Egal. Die Hauptsache ist, solche Worte wie Radio oder Sendung kommen drin vor, denn das sind Dinge, die die Menschen kennen und entsprechend einordnen können. Deshalb muss auch nicht Der Podcast™ unter die Menschen gebracht werden, sondern Themen. Macht nicht Werbung für Podcasts, macht Werbung für eure Themen und eure Formate und eure Persönlichkeiten. Denn die sind es, die die Menschen hören wollen. Mithilfe der Themen finden sie eure Sendungen auch. Und wenn Ihr eure Themen unter die Menschen bringen wollt, seht zu, dass ihr euch Netzwerke schafft, in denen diese Themen auch von anderen bespielt werden. Schafft Kooperationen. Fragt andere Projekte. Schafft Synergien. Die Menschen wollen euch hören und nicht einen Podcast.  Deshalb machen wir Radio – und keinen Podcast™. Wir erfreuen die Menschen mit Themen statt mit Begriffen, die sie nicht kennen.

    Und noch eines wird immer wieder beklagt. Die Popularität. Das was sich Podcast™ nennt, möchte gern größer sein. Warum eigentlich? Was nützen mir denn 100.000 Menschen die uns hören, wenn sie „nur“ still vor sich hinhören. Da sind mir doch 100 Menschen, die zum Teil im Chat sind, und das bei fast jeder Sendung, morgens um 11 Uhr, viel lieber. Menschen die sich einbringen, die kommentieren, ja, die uns auch finaziell unterstützen. Das ist mir alles viel lieber als Ruhm, Ehre und was weiß ich alles. Natürlich ist es toll von vielen gehört zu werden, klar. Aber ein Muss ist es eben meiner Meinung nach auch nicht.

    Wenn man es richtig anstellt, dann hat man vielleicht sogar irgendwann Sponsoren und Partner gewonnen. Nun sind wir sicher nicht als Vorbild für alle anderen geeignet, bestimmt nicht. Menschen müssen Ihren eigenen Weg finden, das unter die Menschen zu bringen, was Ihnen wichtig ist. Es gibt viele Wege das zu tun. Ein Richtig und Falsch gibt es da sicher auch nicht. Deshalb ist das was hier geschrieben wurde, naturgremäß im höchsten grade subjektiv und sollte als solches auch verstanden werden. Ich habe nur eine Meinung. Eine von vielen. Sie erhebt keinen Anspruch auf die Wahrheit™.

  • Jazz (nicht nur) für Einsteiger

    Ich versprach ja, mich ein wenig mit dem Jazz und dem Zugang zu eben jenem zu beschäftigen. Das habe ich gemacht. Ursprünglich sollte dieser Beitrag ja die größten – was auch immer das ist – Jazz-Alben beinhalten, aber ich habe mittlerweile einfach meine Lieblingsalben gelistet. Die wiederum habe ich einfach genommen, weil ich glaube, dass ich über diese Alben am meisten erzählen kann. Ich möchte an dieser Stelle ein wenig erläutern, warum ich gerade dieses Album von diesem Künstler ausgesucht habe, und warum dieses vielleicht gerade für den Einstieg hübsch sein kann.

    Miles Davis

    Zwei Alben habe ich vom Großmeister des Jazz auserkoren. Miles Ahead und Kind of Blue (natürlich) sind es, die ich mehr als alles andere von ihm liebe. Und es gibt unfassbar viele großartige Alben von Miles Davis. Warum nun also gerade diese zwei? Und warum sollten ausgerechnet diese zwei für Einsteiger geeignet sein? Zum einen, weil Kind of Blue den einen Song enthält, den wirklich jeder kennt. ‚So What‘ heißt er.  Ich denke, gerade am Anfang ist es wichtig, dass die Songs einen Wiedererkennungswert haben. Das macht den Einstieg schon mal ’ne Ecke leichter, hoffe ich zumindest. Ok, ansonsten ist die Kind of Blue vielleicht etwas schwieriger. Miles Ahead auf der anderen Seite, hat einen unfassbar zugänglichen Sound und schicke Melodien. Übrigens hat auf diesem Album ein Herr namens Lee Konitz mitgespielt!

    Für Einsteiger geeignet?

    Kind of Blue: Zum Teil. Vor allem wegen des bekannten Songs ‚So What‘

    Miles Ahead: Ja

    Paul Desmond mit und ohne Dave Brubeck

    Was soll ich nun zu Paul Desmond sagen? Er ist und bleibt mein Lieblingssaxophonist. Er hat in seinen Soli ganze Lieder geschrieben. Quasi Stücke in den Stücken. Er war in der Lage vom Blues, über Klezmerskalen, bzw. arabesquen Skalen, zum bachschen Kontrapunkt und von da wieder zurückzumodulieren. Und das alles in einem Solo. Damit wären wir auch schon beim ersten Album, welches ich für äußerst empfehlenswert halte, nämlich Jazz Impressions of Eurasia. Und hier besonders den Song ‚Brandenburg Gate‘. Hier zeigen Paul Desmond und Dave Brubeck mal so richtig was sie können. Genau dieser Song ist es, bei dem Paul Desmond genau das macht, was ich gerade angesprochen habe. Das Modulieren vom Blues über Klezmer (arabisch), klassischem Kontrapunkt und wieder zurück. Da möchte Brubeck natürlich nicht zurückstehen und ist ebenso in Höchstform. Auf dem Album Time Out geht es dann, was die Rhythmen angeht, ganz schön zur Sache. Aber keine Sorge, auch hier sorgen Eugene Wright, Joe Morello, Dave Brubeck und Paul Desmond für grandiose Melodien. Außerdem ist auf diesem Album immerhin ein Song wie ‚Take Five‘ drauf, da wären wir wieder bei den vertrauten Melodien die man kennt. Weiter geht’s mit Paul Desmond, diesmal allerdings mit Jim Hall. Auf dem Album Concierto spielen die beiden, zusammen mit Chat Baker eine Jazzversion des wunderbaren klassischen Werkes ‚Concierto de Aranjuez‚ ein. Wirklich wunderschön und wie ich meine sehr gut für Einsteiger geeignet. Bleiben wir ein wenig bei Chat Baker, der hat ein Album namens She Was Too Good to Me geklöppelt, und zwar – ihr ahnt es schon – richtig, mit Paul Desmond. Auch hier eingängiger, nicht allzu fordender Jazz. Ein wirklich schönes Album, im wahrsten Sinne des Wortes. Mit Gerry Mulligan hat der gute Herr Desmond dann auch noch ein Album veröffentlicht, es heißt Two of a Mind. Die beiden konnten richtig gut miteinander, wie man so schön sagt, und das hört man auch. Großartige Kommunikation während der Soli. Man hört richtig, wie die beiden sich miteinander, mithilfe ihrer beiden Saxophone unterhalten. Wunderbar. Sicher, ein bisschen mehr zur Sache geht es hier schon manchmal, aber keine Sorge, auch hier steht die Melodie immer noch im Vordergrund.  Zu guter letzt geht’s noch einmal zurück zum Dave Brubeck Quartet. Es gab ein legendäres Konzert in der Carnegie Hall, und das Doppelalbum dieses Konzerts darf hier einfach nicht fehlen. At Carnegie Hall. Ein hübscher Querschnitt der klassischen Besetzung dieses Quartetts.

    Für Einsteiger geeignet?

    Jazz Impressions of Eurasia: Aber so was von

    Time Out: Ja

    Concierto: Ja

    She Was Too Good to Me: Aber so was von

    Two of a Mind: Zum Teil. Vor allem wegen Paul Desmond

    At Carnegie Hall: Ja

    Julian Adderley

    Somethin‘ Else heißt das Album, was ich von Julian Adderley hier empfehlen möchte. Ein Vorausschauen auf Kind of Blue, wenn man so will. Und Miles Davis spielt auch mit auf diesem Album. Trotzdem ist es ein Julian-Adderley-Album: Dieser warme Sound, den er aus seinem Altsaxophon holte, war schon beeindruckend. Das ganze hat etwas schwebendes, etwas, was man am Anfang nur ahnt. Ein bisschen wie Debussy es in seinen Werken auch hat. Phantastisch. Übrigens der Song in dem verlinkten Video ist natürlich sein bekanntestes Stück, das ist aber nicht auf dem Album drauf. Zu dem Album mit diesem Song kommen wir an einer anderen Stelle. Ach so, natürlich spielt Julian Adderley zusammen mit John Coltrane auf dem Kind of Blue Album mit, ist doch klar.

    Für Einsteiger geeignet?

    Somethin‘ Else: Zum Teil. Vor allem wegen des ersten Songs.

    Lee Konitz

    Jetzt wird es tatsächlich schon um einiges schwieriger. Motion heißt das Album, und jetzt geht es schon richtig zur Sache. Vielleicht müssen hier einige erstmal dieses Album überspringen. Menschen sind da sehr unterschiedlich und was für den einen schon zu viel ist, ist für die andere noch lange kein Grund, dieses Album von Lee Konitz nicht zu hören. Herr Konitz gehört zu meinen absoluten Lieblingsmusikern, weil er einen Ton hat, der nie aufdringlich wird. Der kann mir den wildesten Freejazz um die Ohren hauen, das ermüdet mich nie. Und genau dieser Ton ist es, der auch in diesem Fall für dieses Album spricht. Versucht es! Wenn es nicht geht, dann eben erst später. Man sollte sich am Anfang nicht überfordern. Alles was keinen Spaß macht, sollte man tunlichst auch nicht machen, vor allem wenn es um Dinge wie Musik geht. Seid also mutig, hört rein und wenn es (noch) nicht geht, tja dann eben erstmal nicht.

    Für Einsteiger geeignet?

    Motion: Bedingt. Muss man probieren

    Joe Henderson

    Nun kommen wir zum dritten im Bunde, auf den ich meine musikalische Saxophonkirche baue, wenn man so will. Er ist dafür verantwortlich, dass ich das Tenorsaxophon doch noch lieben gelernt habe. Ein grandioser Künstler, ein Intellektueller. Er hat auch schon mal das ein oder andere Freejazz Album gemacht, in diesem Fall geht es aber um Lush Life: The Music of Billy Strayhorn, eines welches eher ruhig daherkommt, und er zeigt was für einen unfassbar tollen Ton er hat, wie elegant er spielt. Ein wenig wie Paul Desmond in moderner, wenn man so mag. Wo wir gerade bei bekannten Melodien sind. Das letzte Album was der gute Joe Henderson zu Lebzeiten aufgenommen hat, war seine Interpretation von der Musik von ‚Porgy and Bess‚ von George Gershwin. Ja, und da gäbe es schon Melodien, sie treten halt nur bisweilen in den Hintergrund, also vor allem beim Solieren. Ansonsten ist auch hier eigentlich alles gut. Sehr gut sogar. Sogar Chaka Khan und Sting sind auf diesem Album zu hören. Die kennt man sogar außerhalb des Jazzkontexts. Tolles Album. Wie gesagt, an einigen Stellen nicht immer ganz einfach.

    Eines hab ich noch: Nämlich The Standard Joe. Was Joe Henderson hier so spielt, ja nun. Es gäbe da schon Melodien, man muss sie halt nur ein wenig suchen… Immerhin spielt er Standards, wie der Name des Albums ahnen lässt. Zumindest werden die meisten von euch also am Anfang des Stückes erkennen, um was für eines es sich handelt. Auch hier gilt: Traut euch. Und wenn es nicht geht, dann lasst es erstmal ruhig und kommt später wieder. Ich liebe den Sound des Herrn Henderson, die Intellektualität mit der er an all seine Werke herangegangen ist. Das Entscheidende aber ist: Er schafft, was was sonst nur Paul Desmond schafft. Ich bekomme bisweilen Gänsehaut, wenn er spielt.

    Für Einsteiger geeignet?

    Lush Life: The Music of Billy Strayhorn: Zum Teil. Vor allem wegen der bekannten Melodien

    Porgy and Bess: Ja

    The Standard Joe: Bedingt. Muss man probieren

    The Modern Jazz Quartet

    Eine Band, die ich schon als Kind gehört habe. Ein einmaliger Sound. Die Band bestand aus Milt Jackson (Vibraphon), John Lewis (Piano), Percy Heath (Bass) und Connie Kay (Schlagzeug). Kein Saxophon? Keine Trompete? Keine Gitarre? Piano und Vibraphon? Eine sehr seltene Kombination. Egal. Sie prägten mein Bild von dieser Musik in den 70ern, also in der Zeit in der ich ein Kind war. Natürlich wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht, was Jazz ist. Ich erkannte aber die Band wieder, ohne zu wissen wie sie heißen oder was sie da machen. Diese Gruppe mit dem schönen Ding und Dong halt. Meist recht leise kommen sie daher. Melodien konnten sie. Sie waren mein Einstieg in die Welt des Jazz, ohne dass ich das zu diesem Zeitpunkt auch nur im entferntesten ahnen konnte. Wenn das nichts für den Einstieg in die Welt des Jazz ist, dachte ich mir, und gebe deswegen eine dicke Empfehlung für diese wunderbare Band ab. Es handelt sich hier um das Album ‚The Complete Last Concert‚. Es sind Aufnahmen aus den Jahren 1975 und 1981. Ein wirklich toller Einsteig in die Welt des Jazz, zumindest nach meinem Dafürhalten. Deswegen ist sie auch in der Liste zu finden. Sie gehören definitiv auch in die Liste meiner Lieblingsaufnahmen.

    Für Einsteiger geeignet?

    The Complete Last Concert: Aber so was von.

    Zum Schluss

    Das waren sie, die Empfehlungen. Mal einfacher zugänglich, mal schon ein bisschen schwerer. Aber Menschen funktionieren unterschiedlich. Warum also auch nicht etwas weniger einfaches mit in die Liste der Empfehlungen nehmen, außerdem sind sie ja in der Liste meiner bevorzugten Jazz-Alben, insofern hatte ich also auch gar kein andere Wahl! 😉
    Es werden weitere Empfehlungen folgen. Gerade im Bereich des Big Band Jazz gibt es hervorragende Werke, die sich vorzüglich eignen, um in die Welt des Jazz einzutauchen, aber dazu beim nächsten mal mehr.

    P.S.: Ja, ich liebe das Saxophon. Diese Reihe wird sich aber im Laufe der Zeit auch anderer Instrumente annehmen, damit auch die nicht zu kurz kommen.

  • Die Causa Wagner

    Es ist ja kein Geheimnis, dass ich der Musik in all Ihren Facetten anheim gefallen bin. Ich höre seit meiner jüngsten Kindheit Musik und bin seit dieser Zeit schwer verliebt in die wundersame Kunst der Klänge und Töne. So ist es dann auch nicht verwunderlich, wenn ich mich immer wieder zu bestimmten Aspekten der Musik ins Verhältnis setzen will und muss. Dann kommt dazu, dass, immer wenn man was ganz besonders liebt und sich entsprechend mit vielen Aspekten des Themas beschäftigt, nicht umhin kommt, sich auch über die nicht so hübschen Dinge Gedanken zu machen.  Inwieweit ist Kunst und Künstler im Zusammenhang zu sehen? Muss man gar die Kunst vom Künstler trennen? Was also tun, wenn Musik plötzlich nicht mehr nur Musik ist, weil der Komponist nicht nur im Bereich der Musik, sondern auch in anderen Bereichen nachhaltigen Einfluss auf das hatte, was ihn umgab? Oder war das gar nicht so? Ist der Einfluss von Künstlern generell überschätzt?  Wenn sie bei Ihrer Kunst bleiben, kann man darüber sicher redlich diskutieren. Was aber wenn dieser Künstler Schriften verfasst hat, die wahrgenommen und ernstgenommen wurden? Und nicht nur das. Was macht man wenn der Autor bekennender Antisemit war und versucht hat, dieses schriftlich intellektuell zu verteidigen? Darf man Wagner nicht hören? Und wer war dieser Wagner eigentlich? War der Einfluss seines Essays ‚Das Judentum in der Musik‘ wirklich so groß? Außerdem gab es die Nazis damals ja auch noch gar nicht, also könne er auch keiner gewesen sein, wie Elke Heidenreich einmal anmerkte. Was also tun? 

    Und damit jeder so einigermaßen weiß um wen es sich überhaupt handelt, ist es sicher sinnvoll mit einem kurzen Überblick über sein Leben, sein Tun und sein Wirken zu beginnen:

    Das Leben

    Wilhelm Richard Wagner wurde am 22. Mai 1813 in Leipzig geboren. Mit 18 Jahren begann er sein Musikstudium in Dresden. 1833 wurde Wagner Korrepetitor in Würzburg. Später war er in Magdeburg, Königsberg, Dresden und München als Hofkapellmeister tätig. Nach Ende seines Münchener Aufenthaltes zog er 1866 in die Schweiz, wo er zumeist mit Cosima, der Tochter von Franz Liszt und der Ehefrau von Hans von Bülow, wohnte. Vier Jahre später heirateten sie und zogen 1872 nach Bayreuth. Dort hat Wagner an der Verwirklichung seiner Pläne für das Festspielhaus gearbeitet, in dem 1876 die ersten Festspiele mit der Gesamtaufführung des ‚Ring des Nibelungen‘ stattfanden. Wagners Werk umfasst neben einigen Liedern, Orchester- und Chorwerken vor allem Opern, darunter neben dem ‚Ring‚: ‚Der fliegende Holländer‚, ‚Tannhäuser‚, ‚Lohengrin‚, ‚Tristan und Isolde‚ und ‚Die Meistersinger von Nürnberg‚. Richard Wagner verstarb am 13. Februar 1883 in Venedig.

    Der Antisemitismus

    Wagners Weltbild war eine Melange aus Aufbruch, Umsturz, Revolution und Sehnsucht nach Kunst und Gesellschaft durch Untergang von allem Bestehenden. Seine Motive waren eine wilde Mischung aus humanistisch-aufklärerischer Revolution gegen Aristokratie einerseits und Rückkehr zur Natur, Ablehnung der Industrialisierung sowie nationalistischer Phantasien von der totalen Einheit einer Rasse oder eines Volkes andererseits. Wagner war zunächst auch ein Kind seiner Zeit und reagierte auf antijudaistische und frühantisemitische Stereotype. Vieles von dem, was man anfänglich bei Wagner findet, fand man auch schon vorher bei Martin Luther. Antisemitismus gehörte zu Zeiten Wagners zum „guten Ton“. Das was allerdings anders ist und was die Qualität des wagnerischen Antisemitismus eben von anderen dann doch unterscheidet ist, dass er nicht nur auf das, was er an Antisemitismus vorfand, versucht hat, entsprechend antisemitisch zu reagieren. Er versuchte etwas anderes. Er ging weiter. Er versuchte den Antisemitismus künstlerisch zu intellektualisieren. Ihn quasi mithilfe der Kunst zu rechtfertigen. Er entwickelte den Antisemitismus mit Schriften wie ‚Das Judentum in der Musik‚ weiter. Er hob ihn auf ein neues Level. Und das hatte nachhaltigen Einfluss. Wagner hat ‚Das Judentum in der Musik‘ zunächst einmal unter dem Pseudonym ‚K. Freigedank‘ veröffentlicht,  in der ‚Neue Zeitschrift für Musik‚. Darin heißt es, dass es eine „Verjüdung der modernen Kunst“ gebe, und dass „der Jude an sich unfähig sei sich uns künstlerisch kundzugeben.“ Damals war Wagner aber noch nicht so populär, als dass es eine große Wirkung hätte erzielen können. Das sollte sich mit der zweiten Veröffentlichung ändern. Denn als Wagner dann einen wesentlich höheren Bekanntheitsgrad erlangte, hat er die Schrift unter Hinzufügung von Vor- und Nachwort unter eigenem Namen noch einmal veröffentlicht.  Diesmal mit großem Wiederhall. Es heißt hier u.a.: „Ob der Verfall unserer Cultur durch eine gewaltsame Auswerfung des zersetzenden fremden Elementes aufgehalten werden könne, vermag ich nicht zu beurtheilen, weil hierzu Kräfte gehören müssten, deren Vorhandensein mir unbekannt ist.“ Es darf gründlichst bezweifelt werden, dass Hitler diese Schriften seines Lieblingskomponisten nicht gekannt hat. Jedenfalls hat der Wagnerianer Hitler sich zum Vollstrecker seines Propheten gemacht. Außerdem hatten Wagners Ausführungen großen Einfluss auf den englischen Schriftsteller Houston Stewart Chamberlain, der sich auf Wagners Schriften berief, sich diese zu nutze machte, sie deutete und interpretierte um seine eigenen Schriften intellektuell zu untermauern. Chamberlain war der Verfasser der Schrift ‚Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts‘. Die Werke und sein Verfasser gelten wiederum als einer der ideologischen Wegbereiter des nationalsozialistischen Antisemitismus.  Noch etwas kommt erschwerend hinzu. „Dämonund „Verfall“ sind zwei Begriffe die vor den Schriften Wagners nicht im Kontext mit dem Begriff Jude gebraucht wurden. Alfred Rosenberg hat sich dieses zu nutze gemacht und diese Begriffe in seinen Antisemitischen Schriften gebraucht. Alfred Rosenberg war zur Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus Politiker und führender Ideologe der NSDAP.  Wagners Ausführungen hatten also durchaus Einfluss auf die nachfolgenden geschichtlichen Ereignisse. Mehr als die meisten Wagnerianer wahr haben wollen. Thomas Mann sagte einmal: „Es ist viel Hitler in Wagner.“ Man darf Wagner also getrost als Brandstifter und Wegbereiter bezeichnen. 

    Wagner und Mendelssohn

    Der Komponist und das Werk Felix Mendelssohns haben es nicht zu Lebzeiten, aber noch weniger posthum leicht gehabt,  denn man ist zum Teil bis in die Gegenwart hinein nach Kräften bemüht, ihn und seine Musik abzuwerten. Und alles begann mit Wagner und seinen antisemitischen Äußerungen, die Mendelssohn in voller Gänze treffen sollten. Das Ziel was Wagner verfolgte, war schlicht und ergreifend  die Vernichtung Mendelssohns, die Verdrängung und Zerstörung des gesamten Werkes, des Lebens und Wirkens eines einstmals angesehenen Komponisten. Sie war ein Verbrechen, das Mendelssohn, da zu dem  Zeitpunkt schon Verstorben, nicht mehr miterleben sollte, was aber seinem Ansehen, seiner Musik und seinem Wirken bis in die heutige Zeit nachhaltig geschadet hat. Wagner ist schuld an der Stigmatisierung der Person und der Musik Felix Mendelssohns, seine Schriften stellten eine Verunglimpfung dar, die bis in unsere Zeit wirksam bleibt.  Dabei ist die Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts ohne Mendelssohn undenkbar. Er war der erste Dirigent, wie wir ihn heute kennen. Er hat das erste Konservatorium Deutschlands gegründet. Ohne Mendelssohn würden wir Bach vielleicht gar nicht kennen. Ohne Mendelssohn wäre die ‚Große C-Dur‚ Symphonie von Franz Schubert nicht Uraufgeführt worden. Vor allem aber gäbe es ohne Mendelssohn nicht dessen wunderschöne Musik. In Wagners Musik lassen sich viele Parallelen zu Mendelssohns Musik finden. Hier ein paar Beispiele. Es fängt an mit der ‚Todesverkündung‘ im zweiten Akt der Walküre  die doch die ein oder andere Gemeinsamkeit mit dem Beginn der Schottischen Symphonie Mendellsohns hat. Dann wäre da das berühmte Dresdner Amen, dessen Interpretation sich in Mendelssohns Reformations-Symphonie finden lässt. Auf gleiche Weise findet man es aber eins zu eins genau so bei Wagner im Liebesverbot, im Tannhäuser oder beim Parsifal wieder. Wagner hat sich aber nicht nur der Melodien Mendelssohns bedient, sondern auch dessen Struktur, die er in seiner Musik pflegte. In Mendelssohns Werken findet man musikalische Strukturen, die Wagner dankend in sein Werk hat einfliessen lassen. Nicht zuletzt ist es der der religiöse Ton, das mythische Musikverständnis, was Mendelssohn hatte, was sich Wagner zu nutze machte. Es sei hier auf den Sommernachtstraum Mendelssohns hingewiesen. Das alles wäre nur halb so schlimm gewesen, wenn Wagner sich zu Mendelssohn nicht so geäußert hätte, wie er sich nunmal geäußert hat. Mendelssohn hatte schon vor Wagner mit antisemitischen Ressentiments zu kämpfen, obwohl er protestantisch getauft wurde, um genau das zu vermeiden. Was machte nun Wagner?  Der schmähte den Komponisten posthum. Und das hatte auch hier eine neue Qualität. Denn: Taufe hin, Taufe her. „Juden sind künstlerisch impotent, sie können nur nachahmen und sind unfähig, selbst kreativ zu sein, Juden setzen auf bloßen Effekt. Juden gehören nicht zu den Deutschen: Der Jude hat etwas ‚unangenehm Fremdartiges‘ an sich.“ Wagner benutzte in diesem Zusammenhang den Begriff des ‚getauften Juden‘, eine Formulierung der sich die Nationalsozialisten später bedient haben. Richard Wagner über Mendelssohn in einem Brief den er 1855 an  Gönner Otto Wesendonck geschrieben hat:  „Mendelssohn ist den Engländern das, was den Juden ihr Jehova ist. Jehovas Zorn trifft mich Ungläubigen denn auch jetzt; denn Sie wissen, daß unter andern großen Eigenschaften dem lieben Gotte der Juden sehr viel Rachsucht zugeschrieben wird.“ Dank Wagner ist Mendelssohn als musikalischer ‚Landschaftsmaler‘ verschrien. Dank Wagner wird in einschlägigen Klassikforen darüber diskutiert, ob Wagner nicht doch ein wenig recht gehabt haben könnte. Natürlich fügt man gleich hinzu, dass es hierbei nur die musikalische Einschätzung ginge. Wagner ist es zu verdanken, dass Mendelssohns Musik als oberflächlich, unwichtig und gegenstandslos betrachtet wird. Weitere Klischees,  für die Wagner verantwortlich ist,  erspare ich sowohl mir als auch den Lesern.

    Wirkung auf spätere Musik

    Wagner hat zunächst einmal die sogenannte Nummernoper zum Musikdrama weiterentwickelt. Was bedeutet das? Vor Wagner bestanden Opern quasi aus einer Aneinanderreihung von Nummern, sprich Arien, Duette, Chöre und instrumentale Teile wechseln sich ab und werden durch gesprochene Rezitative miteinander verbunden. Bei Wagner finden wir nun die sogenannte „unendliche Melodie“. Das Orchester beginnt hier am Anfang der Oper zu spielen und hört am Ende der jeweiligen Oper auf. Auch wird in Wagners Opern nicht gesprochen. Es gibt keine einzelnen, für sich stehenden Arien mehr, sondern durchgehend gesungene Erzählungen, Monologe oder Dialoge. Es wird aber nicht wie vorher alles separat und abgeschlossen nacheinander gesungen oder gespielt, sondern mithilfe des Orchesters, durchgehend zur Aufführung gebracht. Dabei bedient sich Wagner, allerdings auch nicht als erster, der sogenannten Leitmotiv-Technik. Das kennt man heute aus jedem Film und natürlich aus der Schule von ‚Peter und der Wolf‚ von Prokofiev. Soll heißen, es wird einer bestimmten Person, einem Gegenstand oder einem Gefühl ein musikalisches Motiv zugeordnet. Immer wenn nun also eine Person, ein Gegenstand, eine Situation oder eine Emotion  innerhalb des Stückes zum Tragen kommt, wird die jeweils zugeordnete Melodie gespielt. Charaktere, Situationen, Gegenstände oder auch Emotionen haben also Ihre ureigene Melodie. Wagner hat das Gesamtkunstwerk, wie es ihm vorschwebte, letztlich tatsächlich in Bayreuth (Bayreuther Festspiele) in die Tat umsetzen können.

    Was bleibt?

    War Wagner der größte Komponist aller Zeiten, wie er es sicher gerne gehabt hätte? Mit Sicherheit nicht. Er war mit Sicherheit auch nicht so groß wie es die Wagnerianer gern hätten, von denen er zum Teil religiös verehrt wird. Er hat die Musik nicht neu erfunden, und auch die Erfindung des Internets ist nicht direkt auf Ihn zurückzuführen. 😉 Ein wichtiger Komponist, vor allem im Bereich Oper, ja. Uneingeschränkt. Wagner hat seinen Teil zur Musikgeschichte beigetragen. Es gibt derer mehrere, die da ein Wörtchen mitzureden haben. Es gibt durchaus den ein oder anderen, den ich weit vor Wagner einzuordnen wüsste. Claude Debussy z. B., aber das soll hier ja nicht das Thema sein. Ich gestehe Wagner eine gewichtige Rolle in der Musikhistorie zu.

    Und nun?

    Kann man Kunst und Künstler trennen? Ich meine nein, aber das heißt erstmal gar nichts. Wir alle trennen nicht zwischen Kunst und Künstler. Wir tun uns mit der Kunst eines Menschen einfach wesentlich leichter, wenn wir den Mensch, der dahintersteht, sympathisch finden. Wenn das nicht der Fall ist, kann es sein, dass sich die Künstler noch so sehr anstrengen mögen, es kommt dann bei uns im Zweifel  nicht an. Was bedeutet das jetzt für die Causa Wagner. Was macht man nun mit so einem? Er hat gelogen, betrogen, schreckliche Schriften verfasst, die durchaus Einfluss auf das ausübten, was danach geschah. Und dann wäre da noch der Anspruch des Gesamtkunstwerks. Dann würden ja, wenn es nach Wagner ginge, seine Essays zu eben diesem hinzugehören. Darf man Ihn nun also hören oder nicht?  Diese Frage kann ich euch nicht beantworten. Das müsst Ihr selber machen. Wir alle haben eine individuell geartete Toleranzschwelle. Ich kann also nur für mich meine Konsequenz aus dem ziehen, was ich über Wagner weiß und was seine Musik bei mir bewirkt. Auf mich übt diese Musik Gewalt aus. Sie ist mir zu groß, zu episch, zu ‚erlösend‘, zu verklärend, zu pathetisch und zu anmaßend. Das gilt für mich. Meine Toleranzschwelle ist hier bei weitem überschritten, das muss aber nicht heißen, dass es die eurige auch sein muss. Wer Wagner hören mag, der möge es machen. Nur bitte nicht wegen Wagner, sondern trotz Wagner, das wäre mir dann doch wichtig. Hört also meinetwegen Wagner, wenn ihr wollt und könnt. Wer Wagner und seine Musik erträgt, möge es hören,  aber bitte nicht unreflektiert. Habt meinethalben Freude an seiner Musik, aber haltet Augen und Ohren offen. Seid immer auf der Hut, auf dass Ihr nicht einer von denen werdet, der Wagner war.

    Zum Schluss

    Ich möchte anmerken, dass mir das Schreiben dieser Zeilen nicht leicht gefallen ist. Ich bin was das Thema Antisemitismus angeht sehr empfindsam und eine Toleranzschwelle ist bei diesem Thema bei mir so gut wie nicht vorhanden. Mehr kann und will ich zu meinen persönlichen Befindlichkeiten nicht schreiben. Das ist zu privat.

    Ich möchte mich bei der wunderbaren @gruenkariert für einen Text bedanken, der diesen Text erst hat entstehen lassen. Danke.

    Bei allem was Ihr macht. Seid wachsam. Werdet keine von denen.

  • Warpaint – Warpaint

    Es gibt so Alben da weiß man am Anfang nicht so recht was man schreiben soll, weil es einem schwer fällt etwas zu finden über das man schreiben kann. Dann wieder gibt es Alben da weiß man sofort was man schreiben will, weil das Album sich einem in seiner Gänze öffnet und man genau weiß was man sagen will. Dann wiederum gibt es Alben bei denen gibt es so viel zu schreiben, dass man nicht weiß wo man anfangen soll. Dieses ist so ein Album, so eine Band.

    Der Anfang

    Begeben wir uns mal alle in das Jahr 2004. Da gründete sich eine Band namens Warpaint in einer Stadt namens Los Angeles. Nach einigen Umbesetzungen fand die Band zu Ihrer heutigen Besetzung. Emily Kokal (Gitarre/Keyboards) und Theresa Wayman (Gitarre/Keyboards) kennen sich bereit aus der Schule und kommen beide aus Eugene/Oregon. Die Geschwister Jenny Lee Lindberg (Bass) und Shannyn Sossamon (Drums) kommen aus Reno/Nevada.

    Die ersten Alben

    Diese vier haben 2008 dann in dieser Besetzung EP Exquisite Corpse rausgebracht, die die Kritiker begeistert aufgenommen haben. In eben jenem Jahr hat Shannyn dann die Band verlassen um sich auf ihre Schauspiel-Karriere zu konzentrieren. Seit dieser Zeit ist Stella Mozgawa, eine Australierin, die Schlagzeugerin der Band, und die endgültige Formation hatte sich gefunden. 2010 kam das umjubelte Debütalbum The Fool raus und verzückte die Musikkritik auf’s neue. Ohrwurmiger, Psychedelischer, Postrockiger, Pop, den man so noch noch gehört hatte. Die Songs sind alle samt und sonders einfach entstanden weil sie, wie die Band glaubhaft vermittelt, einfach mal während des Spielens entstanden sind. Aus dem Jam heraus ein Album herauspurzeln lassen, wenn man so will. Erinnerungen an The Cure und Joy Division wurden ein wenig wach. Auch bei mir.

    Das Album ‚Warpaint‘

    Das ganze ist nun auch schon wieder vier Jahre her. Die Band war enorm lange auf Tournee und hat Ihre musikalischen Fähigkeiten und Erfahrungen damit natürlich nochmals steigern können. Und so war man natürlich gespannt was die vier Damen sich nun für das neue Album haben einfallen lassen. Das erste was man diesmal gemacht hat, man ist in die Wüste gegangen, genauer gesagt nach Joshua Tree. Das ist eine Kleinstadt in Kalifornien, die ungefähr 200 von L.A. entfernt ist. Hier haben auch schon Queens of the Stone Age zwei Alben aufgenommen. Dahin hat man sich also nun aufgemacht. In die Einöde. Auf das es die Kreativität fördern möge. Das mit dem Jam spielte auch hier eine Rolle, auch wenn man dazu übergegangen ist tatsächlich klassisch zusammen Songs zu schreiben. Also Ideen zusammenzutragen und dann das Ganze zu einem Ganzen verschmelzen zu lassen. Nichts desto trotz musste man sie bisweilen dann schon wieder bremsen, wenn sie zum Beispiel 40 minütige Versionen Ihrer Lieder im Studio zum besten gegeben hatten. Wie auch immer diese Songs im einzelnen entstanden sind, sie sind auf jeden Fall das Ergebnis der Band, und das hört man. Soviel Homogenität. Soviel Einklang im Vielklang. Soviel individuelles Können, was am Ende dann zu einem großen ganzen geformt wird, hört man schon nicht oft. Das hier ist schon mal kein Egotripp irgendeines sich selbst verwirklichen wollenden Individuums. Das hier ist das Ergebnis einer Band. Einer herausragenden Band. Die Kombination aus Schlagzeug und Bass sucht ihresgleichen und ich für meinen Teil halte sie für das Beste was es zu Zeit gibt. Die beiden Gitarristinnen spielen anscheinend so leicht und perlend die Noten dahin, dass man fast das Gefühl haben könnte, dass sie sich dabei nicht mal anstrengen müssten. Was man hier zu hören bekommt ist das beste was ich in den letzten Jahren gehört habe. Ich weiß im Moment auch immer noch nicht mit was ich es vergleichen könnte. Es ist ein Album was einen von der ersten Sekunde an in seinen Bann zieht. Einen nicht mehr los lässt, und eine mitnimmt auf eine Reise in die musikalische Glückseligkeit bevor man überhaupt begriffen hat, dass man irgendwo eingestiegen wäre. Wie Mogwai hat auch Warpaint die Synthesizer für sich noch mal neu entdeckt und weiß sie für sich geschickt einzusetzen. Ein weiterer Glanzpunkt dieses Albums in dem nichts zuviel, nichts zuwenig, sondern alles genau richtig ist. Die Musik ist von soviel lyrischer Zärtlichkeit und entwaffnender Brachialität  durchsetzt, dass es einem den Atem verschlägt. Man kann sich nicht wehren gegen diese Entrückung der man innerhalb von Sekunden anheim fällt, die im Laufe des Albums immer weiter Raum greift und einen am Ende des Albums einfach völlig benebelt zurücklässt. Das ganze changiert von Postrock zu Psychedelic über Progressivepop zu Dancefloor. Und man ist geneigt es Postprogressivepsychedlicdancefloorpop zu nennen. Der Begriff ist zu lang, aber alles andere wäre zu kurz und würde diesem Album nicht gerecht werden. Es lässt einen zuhören. Es lässt einen versinken. Es lässt einen Tanzen. Man will es immer noch mal hören. Man bekommt nicht genug von diesem Album. Ich würde diesem Album gerne 20/10 Punkten geben.

    Zum Schluss

    Der männliche Rock ’n Roll ist tot, es lebe der weibliche, zärtliche, feminine Rock ’n Roll, der nicht unbedingt von Frauen kommen muss. Tocotronic beweisen das schon seit längerem. In diesem Fall kommt er von Frauen die das Beste Album der letzten Jahre gemacht haben. So gut, dass selbst der NME ihnen 9/10 Punkten geben musste. Wenn sie Britinnen wären, hätten sie 10 bekommen. Ich gebe ihnen nicht nur 10 Punkte sondern wünsche mir mehr von ihnen. Es ist das großartigste Werk was ich seit langem hören durfte, und ich bin obwohl ich soviel geredet habe im Grunde Sprachlos.

    Homepage der Band

    Das Album bei Spotify

  • Lee Konitz

    1927 in Chicago, Illinois, USA ist ein Altsaxophonist des Jazz in seiner Gänze, denn er hat sich so ziemlich allen Stilrichtungen angenommen, die es so innerhalb des Jazz gibt.  Das besondere an Konitz war, dass er den einzigen originären Beitrag zur Entwicklung des Jazz, zum Zeitpunkt des Wirkens von Charlie Parker, darstellte.  Seine Soli sind von einer unfassbaren Kreativität geprägt, was man u.a. an Aufnahmen festmachen kann, welche ca. 40 Minuten lang sind, und die nichts anderes beinhalten als ein Solo von eben jenem Lee Konitz. Neben Lennie Tristano war Konitz der  bedeutendste Cool-Jazz-Innovator. Und das alles noch bevor Miles Davis sich des Cool Jazz annahm. Musiker wie Paul Desmond oder Bill Evans ebenso wie Hans Koller und Albert Mangelsdorff und schließlich sogar Avantgardisten wie Anthony Braxton sind stark von Konitz beeinflusst worden. 

    Eigentlich begann Konitz seine musikalische Laufbahn, indem er anfing Klarinette zu spielen, das mag vielleicht auch der Grund sein, weswegen er diesen recht eigenen Ton hat, der für einen Saxophonisten doch eher ungewöhnlich ist. Bei Paul Desmond, der ebenfalls von der Klarinette kam, sollte sich das noch stärker auswirken. Manchmal spielen die beiden nämlich einfach nur Klarinette auf dem Saxophon. Quasi Klarinettleske, wenn man so will. 1939 wechselte Konitz dann zum Tenorsaxophon. Bis er schließlich als Altsaxophonist bei Teddy Powell und Jerry Wald tätig war, bevor er zwei Jahre das Roosevelt College besuchte. Seine ersten Aufnahmen machte er 1947 und 1948 mit Claude Thornhill.

    Mit 21 Jahren war es dann so weit, er war Mitglied im berühmten Miles Davis/Gil Evans-Nonett, und somit Teil der Birth of the Cool Aufnahme. Diese Aufnahmen (1949-50) haben den Cool Jazz, der zu dem Zeitpunkt noch recht unbekannt war, einem größeren Publikum bekannt gemacht. Das besondere an dieser Aufnahme war weiterhin, dass Konitz als Weißer Teil dieser Aufnahmen war, obwohl es zu dem Zeitpunkt recht viele Schwarze, arbeitslose Altsaxophonisten gab. Ein Fakt, der Miles Davis zum Teil große Kritik in der schwarzen Bevölkerung einbrachte. Er antwortete: ”Zeigt mir einen schwarzen der so spielen kann wie Lee Konitz, und ich lasse ihn spielen.”

    Zur gleichen Zeit arbeitete er mit Lennie Tristano und Warne Marsh zusammen und nahm 1949 mit ihnen und Billy Bauer erste freie Improvisationen auf. Vorher waren die Soli tatsächlich komponiert worden. Besonders bei den Aufnahmen „Intuition“ und „Digression“, auf dem Album Crosscurrents ist diese freie Improvisation gut zu hören.

    Trotz seines künstlerischen Erfolges ging und geht er immer wieder bürgerlichen Tätigkeiten nach, um sich seine künstlerische Freiheit zu bewahren. So unterrichtet er immer noch, um sich nicht von Plattenlabels abhängig machen zu müssen. So war, und ist es ihm möglich Alben einzuspielen, ohne das die Gelder der jeweiligen Plattenfirma letztlich Einfluss auf das Ergebnis der Aufnahmen hatten, oder haben. Konitz nahm über 150 Alben auf, als Leader und als Sideman.

    In den 60’er und 70’er Jahren spielte Konitz hauptsächlich in kleinen Besetzungen, teilweise nur mit einem Pianisten. 1974 spielte er eine bis heute beachtenswerte Soloaufnahme „Lone Lee“ ein, welches die schon erwähnte ca. 40 Minütige freie Improvisation enthält. Bis heute tourt er regelmäßig durch die USA und Europa, ist oft in Studios mit jungen Musikern und spielt mit avancierten Musikern Avantgardeprojekte ein.

    Konitz, der zeitweise in Köln lebte, zeigt sich auch für Musik von Debussy, Satie und Bach offen. Diesmal ging er gemeinsam mit einem Streichquartett, dem Lee Konitz String Project und Ohad Talmorund, auf Tournee und improvisierte über die Musik des französischen Impressionismus.

    Im Jahre 2000 spielte Konitz, mit dem Brandenburgischen Staatsorchester, das für ihn geschriebene Konzert Prisma von Günter Buhles ein. Maßstabsetzende Duoaufnahmen zogen sich wie ein roter Faden durch sein Lebenswerk. Angefangen mit Billy Bauer, folgte die Zusammenarbeit mit Musikern wie Jim HallAlbert Mangelsdorff, Jiggs Whigham, Joe Henderson oder Pianist Frank Wunsch. Die neusten drei Studioaufnahmen sind mit dem dänischen Gitarristen Jakob Bro entstanden. Auch hier hört man immernoch die Neugierde, das Interesse des mittlerweile 86 Jährigen. Entsprechend seiner Bedeutung, ist die Liste der Empfehlungen diesmal etwas länger. Viel Spaß beim Hören.

    Empfehlungen:

    Lennie Tristano – Crossscurrents (Spotify)
    Miles Davis  – Birth of the Cool (Spotify)
    Konitz meets Mulligan (Spotify)
    Lee Konitz with Warne Marsh (Spotify)
    Miles Davis – Miles Ahead (Spotify)
    Lee Konitz – An Image (Spotify)
    Lee Konitz – Motion (Spotify)
    Lee Konitz – Lone-Lee (Spotify)
    Michel Petrucciani – Toot Sweet (Spotify)
    Konitz & Mangelsdorf – The Art of the Duo (Spotify)
    Lee Konitz & Frank Wunsch – S’Nice (Spotify)
    Lee Konitz- Strings for Holiday (Konitz)
    Lee Konitz & Bill Frisell – Efants Terribles (Spotify)
    Jakob Bro – Balladeering (Spotify) – Time (Spotify) – December Song (Spotify)
    Günter Buhles – Prisma Konzert für Alto Saxophon und Orchester (Youtube)

  • Paul Desmond

    Paul Desmond wurde 1924 in San Francisco geboren, und starb 1977 in New York City. Bekannt wurde er durch das Dave Brubeck Quartet (er verfasste dessen größten Hit, Take Five), in dem er seit dessen Gründung im Jahr 1951 bis 1967 spielte.

    Paul Desmond ist der Meister der Melodiösität, der tiefverwobenen Linien, die zwar unendlich Komplex sind, aber dabei immer dermaßen eingängig, dass man überhaupt nicht merkt was dieser tolle Alt Saxophonist einem da an Skalen und Harmonien um die Ohren haut. So luftig, so lyrisch, so leicht, so schwebend und so charmant konnte kein anderer solieren. Hier entfaltet sich eine Melodie nach der anderen. Das sind keine Soli, das sind im Grunde eigene Lieder die Paul Desmond uns da vor soliert. Das dürfte einzigartig sein. Dieser Stil, den Paul Desmond da pflegt ist so außergewöhnlich, dass selbst ungeübte Ohren Desmond sofort erkennen. Seine Soli sind ein wunderbarer Einblick in die zarte Seele dieses Künstlers.

    Desmond ist einer von den ruhigen, den schüchternen, den leisen. Niemals lässt er bei einem das Gefühl aufkommen, dass er mit schnellen Läufen, extrovertiertem Spiel oder Lautstärke auf sich aufmerksam machen will. Seine Soli schreien einen nicht an, sie nehmen einen mit, mit auf eine Reise durch Melodie und Stimmung, die er immer an das jeweilige Stück angepasst hat, was er gerade spielte. Der Blues war ihm genau so nah wie Bach. Es gab natürlich Menschen die ihm das neiden. Es gab Menschen die ihm deswegen immer mal wieder Belanglosigkeit oder gar Banalität unterstellten. Das er genau das Gegeteil von alledem war, mochten und wollten sie nicht hören.

    Desmonds Art Saxophon zu spielen, den Jazz zu spielen, Stücke zu komponieren und zu interpretieren, waren in einem hohen Maße seiner feingeistigen Art geschuldet. Kompliziert kann eben auch hübsch sein. Ein Ansatz, wie er nur sehr selten im Jazz zu finden ist. Ein einzigartiger Künstler der auch außerhalb der Musik mit Klugheit und Stil zu gefallen wusste. Etliche Zitate von Ihm sprechen da Bände.

    16 Jahre hat er an der Seite von Dave Brubeck gespielt, und es gab nicht wenige die in Ihm den eigentlichen Spiritus Rektor des Quartets sahen. Als Brubeck das klassische Quartet 1967 auflöste um sich neuen Dingen zuzuwenden konnte man schon sehr schnell hören wer sich hier den neuen Dingen zuwandte und wer nicht. Während Paul Desmond auf Aufnahmen von Chet Baker und Jim Hall zu hören ist, auf der er unter anderem ein unfassbar grandioses Solo in der Concierto de Aranjuez Interpretation abliefert, und mit dem Modern Jazz Quartet Auftritte absolvierte, spielte Dave Brubeck weiterhin Take Five hoch und runter. Nun ja, ich möchte das musikalische Genie von Herrn Brubeck nicht in Frage stellen aber ’sich neuen Dingen zuwenden‘ geht anders. 1976 trafen sich Desmond und Brubeck ein letztes mal zu Aufnahmen zu einem Album was da einfach nur ‘The Duets’ hieß. Da war es dann noch einmal, dieses kongeniale Zusammenspiel von den beiden. Und es ist ein hübsches Vermächtnis was uns der Herr Desmond da hinterlassen hat.

    Discographie

    Playlist Desmond/Brubeck bei Spotify

    Empfehlungen:

    Blues in Time (Spotify) (Amazon)
    First Place again (Spotify) (Amazon)
    Time Out (Spotify) (Amazon)
    Two of a Mind (Spotify) (Amazon)
    At Carnegie Hall (Spotify) (Amazon)
    Concierto (Spotify) (Amazon)
    The Duets (Spotify) (Amazon)

  • Benny Goodman

    Benny Goodman wurde 1909 geboren und war nicht nur Jazzmusiker. Er war Klarinettist, und zwar einer der außergewöhnlichen Art. Ihm genügte der Jazz allein nämlich nicht. Er verschaffte sich auch mit Interpretationen klassischer Werke großen Respekt und Anerkennung. Das, und noch viel mehr.

    Aber mal von Anfang an. Start at the Beginning, wie man so schön sagt. Geboren wurde er in Chicago als Sohn jüdischer Einwanderer. Im alter von zehn Jahren bekam er seine erste Klarinette und den entsprechenden Unterricht für dieses Instrument, was Ihn so bekannt machen sollte. Zwei Jahre lang unterrichtete ihn Franz Schoepp, ein Klarinettist des Chicago Symphony Orchestra. Mit zwölf Jahren begann er im Theaterorchester und diversen Tanzkapellen der Stadt zu spielen. Mit jungen 20 Jahren stieg er in das Ben-Pollack-Orchester ein, mit dem er sehr bald auf Tournee ging und sogar schon seine ersten Aufnahmen machte. Darunter die erste Aufnahme eines von ihm gespielten Klarinetten-Solos im Song He’s the Last Word.

    Wenig später zog er nach New York, die Stadt die damals, was das musikalische Schaffen angeht, getrost als Nabel der Welt bezeichnet werden durfte. In New York angekommen, arbeitete er für das Radio und als Sessionmusiker und als Theatermusiker am Broadway. 1931 hatte er mit dem Song He’s Not Worth Your Tears einen ersten Charterfolg. Immerhin schaffte es die Aufnahme bis auf den Platz 20 der damals noch jungen Charts.

    Und was dann kam, war einer der ersten großartigen Besonderheiten die Benny Goodman so toll machen. Zunächst stellte er für die Rundfunkserie Let’s Dance seine erste eigene Big Band zusammen. Das wäre weder für damalige Zeit noch zum heutigen Zeitpunkt etwas besonderes gewesen, und auch nicht weiter erwähnenswert, aber er machte für die damalige Zeit was ganz besonders außergewöhnlich tolles. Zum ersten Mal in der Geschichte des Jazz waren weiße und schwarze Musiker in einer Big Band vereint. Für die damaligen Verhältnisse welche in den USA herrschten, ist das schon sehr bemerkenswert. Diese Band schaffte es nun mit ihrer Perfektion und ihrem Repertoire nicht nur Jazzfans zu begeistern, sondern auch zahlreiche Musikliebhaber außerhalb des Jazzbereichs, weil sie es sich nicht nehmen ließ, neben den damaligen Jazzstandards, auch Kompositionen von Mozart erklingen zu lassen.

    Es folgten weitere, beachtliche Chartplatzierungen und 1934 war es dann so weit. Da gelang ihm dann mit Moonglow der erste von insgesamt sechzehn Nummer-1-Hits. Zu diesem Zeitpunkt spielte auch ein gewisser Herr namens Glenn Miller als freier Posaunist mit. Der ein oder andere mag schon mal von diesem Herren gehört haben. Miller gelang sein großer Durchbruch erst ein Jahr später, und so verdiente er sich bis dahin unter anderem bei Goodman sein Brot. Ein Schicksal was er im Übrigen mit vielen anderen Musikern teilt. Es sei hier nur einmal der damals noch sehr junge Stan Getz erwähnt. Auch wenn der dort, wegen unreifen Verhaltens, relativ schnell wieder gehen musste. Getz war zu der Zeit halt auch erst sechzehn.

    Der 16. Januar 1938 war für Benny Goodman ein ganz besonderes Datum. Denn er gab, wie so viele nach Ihm, sein berühmtes Jazz-Konzert in der New Yorker Carnegie Hall. Das berühmte The Famous Carnegie Hall Concert 1938. Ein feststehender Begriff für jeden Jazzfan. Zunächst war das Konzert mal war ein durchschlagender Erfolg. Das war aber nicht das Entscheidende. Für sich genommen wäre das natürlich schon recht hübsch. Nur hatte der Erfolg dieses Konzerts weitreichende Folgen. Zum einen fanden in der Carnegie Hall bis dahin ausschließlich klassische Konzerte statt. Es war also das erste Jazzkonzert was dort stattfand. Das allein wäre schon bemerkenswert genug. Was dieses Konzert aber wirklich zu einem der ganz großen macht, ist die Tatsache das durch den Erfolg dieses Konzertes der Jazz quasi über Nacht salonfähig wurde, und somit auch bei den Menschen, die dem Jazz damals eher ablehnend gegenüber standen zunehmend akzeptiert wurde. Man könnte sagen, dass ab dem Zeitpunkt auch der “feine Pinkel”, oder der der sich dafür hielt, anfing sich für den Jazz zu begeistern. Die Aufnahme des Konzertes, die naturgemäß nicht der Weisheit letzter Schluss ist was die Audioqualität angeht, sei jedem Musikfan an’s Herz gelegt. Diese Menschen die dort aufgetreten sind haben damals Geschichte geschrieben, zumindest musikalische Geschichte. Vor allem Sing, Sing, Sing, was bei diesem Konzert in einer sehr opulenten Länge dargeboten wurde,  wird heute als Meilenstein angesehen, und man darf es mit Fug und Recht als Genre-Klassiker bezeichnen.

    Benny Goodman war ein sehr umtriebiger Musiker, und schon sehr bald reichte ihm seine Big Band nicht mehr aus, in der mittlerweile u.a. Menschen wie Harry James und Ziggy Elman spielten. Und so gründete er also auch das Benny-Goodman-Quartet, in dem nun wiederum bekannte Jazzgrößen wie Teddy Wilson, Gene Krupa und Lionel Hampton spielten. Goodman blieb auch hier sich und seiner Linie treu, und so spielten in diesem Quartett zwei schwarze und zwei weißen Musiker zusammen, was zur damaligen Zeit ein absolutes Tabu war.

    Dadurch dass er zu einem so frühen Zeitpunkt schwarze und weiße Menschen in einer Band zusammen hat spielen lassen, hat er sich um die Überwindung der „Rassentrennung“ in den USA sehr verdient gemacht. In den frühen dreißiger Jahren konnten schwarze und weiße Jazzmusiker in den meisten Musikkapellen oder in Konzerten nämlich nicht zusammen spielen. Das ist heute natürlich alles längst überholt. Die meisten Menschen sind mittlerweile erfreulicherweise klüger als damals. Das ist u.a. deswegen so, weil in seinen Bands schwarze und weiße Musiker einfach zusammengespielt haben. Er hat damit etwas in’s Rollen gebracht, etwas angestoßen. Das ist einer der mannigfaltigen Gründe, weswegen er als  King of Swing gilt.

    Da Benny Goodman aber, wie schon erwähnt, ein sehr offener, umtriebiger Mensch war, reichte das natürlich immer noch nicht. Und so wollte er sich auch bei den Menschen der klassischen Musik Respekt verschaffen. Er änderte dafür extra den Ansatz für sein Klarinettenspiel in den sogenannten klassischen Ansatz, der sich erheblich von dem des Jazz unterscheidet, und ließ nicht locker bevor nicht die entsprechenden musikalische Ergebnisse zu Verzeichnen waren. So nahm er dann also Mozarts Klarinettenkonzert KV 622 auf, spielte das Klarinettenquintett KV 581 ein und verschaffte sich tatsächlich den erwünschten Respekt. Es folgten Einspielungen von Strawinski, Debussy oder Ravel. Das ganze ging so weit, dass bekannte klassische Komponisten, also die Vertreter der sogenannten „Ernsten Musik“, wie Paul Hindemith, Aaron Copland, Malcolm Arnold und Béla Bartók ihm Kompositionen widmeten, sprich Stücke für ihn geschrieben haben. Nun war es also geschafft. Er hatte mit Jazz und Swing einen Nummer-1-Hit nach dem nächsten, ging Weltweit auf Tournee und spielte mit den bekannten Orchestern dieser Welt zusammen die großen Konzerte der klassischen Musik. Er sollte bis jetzt einer der ganz wenigen bleiben denen das je gelingen sollte.

    Benny Goodman wird immer einer der ganz großen bleiben. Einer der wenigen die es Geschafft haben Grenzen zu überschreiten, neue Dinge zu probieren und sich nicht vom vorherrschenden Mainstream von irgendwas abhalten zu lassen. Wenn mehr Menschen so denken würden wie er es getan hat, dann würde vieles bestimmt hübscher sein auf dieser Welt. Goodman hat die Welt jedenfalls ein wenig hübscher gemacht. Mit seiner Musik, und mit seiner Haltung. Benny Goodman starb 1986 in New York. Seine Musik und sein Wirken werden nie sterben.

    Benny Goodman bei Spotify

    Das berühmte Carnegie Hall Konzert bei Spotify

    Das Klarinettenkonzert und das Klarinettenquintett von Mozart bei Spotify

    Benny Goodman Playlist des Autors bei Spotify

  • Dave Brubeck Quartet

    Am Ende des Tages muss man, jedenfalls in meinem Fall, einfach mal über das Dave Brubeck Quartet reden. Eigentlich müsste jeder einzelne Musiker in dieser Band namentlich im Titel des Quartetts erwähnt werden. Der Name Dave Brubeck Quartet ist hier ein wenig irreführend. Es handelt sich hierbei um vier Musiker von denen jeder einzelne schon für sich genommen ein großer ist. 

    Mit Jazzkonzerten in Universitäten an der Westküste haben Desmond und Brubeck zunächst für Aufsehen gesorgt. Jazz at Oberlinwar denn auch das erste Album was nachhaltig für Aufmerksamkeit sorgte. Nachdem es anfänglich mehrere Umbesetzungen gab, war ab 1958 die klassische Besetzung gefunden. Das  sogenannte „Classic Quartet“Dave BrubeckPaul DesmondJoe Morello undEugene Wright waren die Protagonisten die sich nunmehr aufmachten Musikgeschichte zu schreiben. 

    Unter der Ägide von Brubeck und Desmond wurde musiziert und revolutioniert was das Zeug hält. Die Band spielte das Album Newport 1958 – Brubeck plays Ellington ein. Ein Live-Album auf dem ausschließlich Duke Ellington Stücke zu hören sind, mit Minutenlangen Soli der einzelnen Mitglieder. 

    Im Jahr 1959 veröffentlichte das Quartett dann das AlbumGone with the Wind was schon erahnen lässt wo es hingehen sollte. Im selben Jahr veröffentlichten die vier das Album Time Out. Eines der Alben denen ich die Zehn vergeben würde. Das besondere an diesem Album ist, dass es zum einen nur Originalkompositionen der Band enthält. Die andere Besonderheit ist, dass fasst keines der Stücke im 4/4-Takt ist. Ob dieses Album trotz oder gerade wegen dieser bis dahin außergewöhnlichen Takte Platinstatus erreichte, das weiß ich nicht. Man darf getrost von “trotz” ausgehen. Das Album enthielt mit dem Titel „Take Five“ die erfolgreichste Jazz-Single aller Zeiten, und man fand sich plötzlich in den Billboard Charts wieder. Diese Komposition, welche Desmond, laut eigener Aussage, nur geschrieben hat um das Geld wieder reinzubekommen was er beim Spielautomaten verkloppt hatte, wurde zum Inbegriff dieses Quartetts. 

    Es folgten Alben wie Time Further Out,Countdown – Time in Outer Space und Time Changesdie es schafften den Erfolg der Band zu zementieren. Mit Jazz Impressions of Japan stieß man nochmals in bis dahin nicht gekannte Sphären vor. 

    Bis zu Auflösung im Jahre 1967 machte man nicht nur mit ungewöhnlichen Soli, neuen Taktarten und allerlei progressiven Ideen auf sich aufmerksam, sondern auch mit hübscher moderner Kunst auf dem ein oder anderen Plattencover (wer hätte gedacht das ich das Wort ‘Plattencover’ in meinem Leben noch mal unterbringen konnte). 

    Fast alles was man erreichen kann haben diese vier erreicht. Sogar mit einem gewissen Herrn Bernstein machte man ein Album. Nach der Auflösung traf sich das Quartett nur noch einmal zum 25-jährigen Jubiläum. 

    Danach begannen alle mehr oder weniger erfolgreich an ihrer Solokarriere zu basteln. Zwischendrin lehrten die einen Schlagzeug, die anderen pausierten und wiederum andere versuchten neue Quartette zusammenzustellen. Alle waren in dem was sie danach gemacht haben immer noch innovativ, und nach neuen Dingen suchend. 

    Am erfolgreichsten waren dabei Dave Brubeck und Paul Desmond. Brubeck machte mit allen möglichen Besetzungen weiter seine Musik, und war damit recht erfolgreich. Er bekam Preise und Auszeichnungen noch und nöcher. Den Grammy Award für sein Lebenswerk, einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame, die Ehrendoktorwürde von etlichen Universitäten und 1994 dieNational Medal of Arts. Er spielte mit Gerry Mulligan, Lee KonitzWynton Marsalis und etlichen anderen Größen der Musik Stücke ein. 

    Paul Desmond spielte ebenfalls zwei Alben mit Gerry Mulligan ein, u.a. das großartige Two of a Mind. Er war mit Jim Hall und Chet Baker im Studio. Dabei kam ein phantastisches Album heraus, nämlich Concierto. Auf diesem befinden sich u.a eine Jazz Version des Concierto de Aranjuez von Rodrigo, welches beeindruckend schöne Soli der Herrn Desmond, Baker und Hall beinhaltet. Schließlich wurde Paul Desmond 1977 in die Jazz Hall of Fame aufgenommen. 

    Einmal fanden Desmond und Brubeck doch noch musikalisch zusammen. Im Jahre 1975 wurde das Album The Duets aufgenommen. Auf diesem Album sind allein Brubeck und Desmond zu hören. Ein wunderschönes Album. Hier kann man das Genie der beiden noch einmal in vollen Zügen genießen. Eine unfassbare Band. Ein unfassbares Quartett. Unglaubliche Musiker. Eigentlich möchte man (fast) alles von den vieren hören.

    Hier die, meiner Meinung nach, wichtigsten, schönsten und tollsten Aufnahmen, die, nach Meinung des Autors, zur Grundausstattung eines jeden Jazz Fans gehören sollte:

    Jazz at Oberlin – (Spotify

    Newport 1958 – Brubeck plays Ellington – (Spotify)

    Gone with the Wind – (Spotify)

    Time Out (Spotify

    Time Further Out(Spotify

    Countdown – Time in Outer Space – (Spotify

    Time Changes (Spotify

    Impressions of Japan (Spotify

    Two of a Mind (Spotify

    Concierto (Spotify

    The Duets (Spotify